5. Geschlechtskrankeitengesetz
Allgemeines
Die Stammfassung des Geschlechtskrankheitengesetzes stammt aus 1945. Dieses Gesetz wurde bisher nur 2 Mal inhaltlich geändert, wenn man die Anpassung der 2001 noch in Schilling enthaltenen Strafen mit dem Euro-Umstellungsgesetz an den Euro außer Betracht lässt. Die Aktualität des Geschlechtskrankheitengesetzes in medizinischer und epidemiologischer Hinsicht ist fraglich, weil der Umfang des Gesetzes – genauer gesagt, die Liste der taxativ aufgezählten übertragbaren Geschlechtskrankheiten - nie angepasst oder diskutiert wurde. Auffällig ist jedenfalls, dass beispielsweise Clamydien in der Liste der übertragbaren Geschlechtskrankheiten derzeit nicht enthalten sind.
Es gilt für Tripper, Syphilis, Weicher Schanker und Lymphogranuloma inguinale als übertragbare Geschlechtskrankheiten. Dabei ist es unerheblich, an welcher Stelle am Körper die Krankheitserscheinungen dieser Erkrankungen auftreten.
Nein. HIV und AIDS haben durch den Bundesgesetzgeber eine eigene, speziellere Regelung im AIDS-Gesetz erfahren.
Aufgrund einer Verordnungsermächtigung sind der Gesundheitsminister im Einvernehmen mit dem Innenminister dazu berufen Vorschriften über gesundheitliche Vorkehrungen und zur Überwachung jener Personen zu erlassen, die gewerbsmäßig sexuelle Handlungen am eigenen Körper dulden oder solche Handlungen an anderen vornehmen.
Davon wurde Gebrauch gemacht, sodass für Personen, die sexuelle Dienstleistungen erbringen, zusätzliche Pflichten bestehen. Bei Verstößen gegen die Bestimmungen der Verordnung ist nach den Strafbestimmungen des Geschlechtskrankheitengesetzes vorzugehen.
SexualdienstleisterInnen haben sich vor als auch ab Beginn ihrer Tätigkeit regelmäßig im Abstand von sechs Wochen insbesondere auf das Freisein von Tripper und im Abstand von maximal zwölf Wochen auf Syphilis einer amtsärztlichen Untersuchung zu unterziehen. Die Bestimmung ist geschlechtsneutral formuliert, sodass die Pflichten, die sich aus der Verordnung ergeben, für weibliche und männliche Sexualdienstleister gleichermaßen gelten.
Unter welchen Voraussetzungen ist SexualdienstleisterInnen ein Ausweis auszustellen oder zu entziehen?
Wurde anlässlich der erstmaligen Untersuchung keine Geschlechtskrankheit festgestellt, ist der Person ein mit einem Lichtbild versehener Ausweis auszustellen. Die Vornahme der Kontrolluntersuchungen sind im Ausweis zu bestätigen. Wird dagegen eine Geschlechtskrankheit festgestellt, ist der Ausweis von der Bezirksverwaltungsbehörde einzuziehen und erst nach erfolgter Heilung wieder auszufolgen.
Der Ausweis ist bei Ausübung der Tätigkeit mitzuführen und bei Kontrollen auf Verlangen den Organen der Bezirksverwaltungsbehörde oder der Polizei zur Überprüfung auszuhändigen. Der Ausweis ist unverzüglich einzuziehen, wenn der regelmäßigen Untersuchungspflicht nicht nachgekommen wurde.
Im Fall eines Krankheitsverdachtes kann die Sanitätsbehörde Personen, die nicht in ärztlicher Behandlung stehen, dazu verhalten, ein ärztliches Zeugnis beizubringen oder sich einer ärztlichen Untersuchung zu unterziehen.
Für geschlechtskranke Personen besteht eine allgemeine Behandlungspflicht. Während der Dauer der Übertragbarkeit der Krankheit ist jeder an Tripper, Syphilis, Weicher Schanker oder Lymphogranuloma inguinale Erkrankte verpflichtet, sich einer ärztlichen Behandlung zu unterziehen. Der Erkrankte hat der Sanitätsbehörde auf Verlangen den Nachweis über die ärztliche Behandlung zu erbringen.
Weiters sind Geschlechtskranke verpflichtet, die Anordnungen der Sanitätsbehörde gewissenhaft zu erfüllen. So kann beispielsweise der Amtsarzt der Sanitätsbehörde eine ambulante oder stationäre Behandlung in einer öffentlichen Krankenanstalt anordnen.
Bei Pflegebefohlenen trifft die Pflicht für die Erfüllung der Untersuchungs- und Nachweispflichten die aufsichtsführende Person.
Jeden Arzt, der in Ausübung seines Berufes von einer Geschlechtskrankheit Kenntnis erhält, trifft eine beschränkte Meldepflicht.
Beschränkte Meldepflicht bedeutet, dass Ärzte nur dann zur Erstattung einer Meldung verpflichtet sind, wenn eine Weiterverbreitung der Geschlechtskrankheit zu befürchten ist oder sich der Kranke der ärztlichen Behandlung bzw. der ärztlichen Beobachtung entzieht.
Dabei muss nicht erst abgewartet werden, ob sich ein Patient tatsächlich der Behandlung oder der Beobachtung entzieht. Es genügt, wenn der Patient Andeutungen macht, er werde die Behandlung nicht fortsetzen, die besprochenen Verhaltensregeln nicht einhalten oder Ähnliches. Zweck des Gesetzes ist die Verhinderung der Weiterverbreitung übertragbarer Geschlechtskrankheiten und damit der Schutz der Gesunden. Um dem Gesetzeszweck zu entsprechen, begründet und rechtfertigt jeder konkrete Verdacht am Mangel der Compliance des Patienten eine Meldung. Für den Arzt ist die Dokumentation der Umstände, die den Verdacht begründen, wichtig.
Die Meldung ist an die für den Wohnort des Erkrankten zuständige Sanitätsbehörde (Bezirkshauptmannschaft bzw. Gesundheitsamt) zu erstatten. Es ist dazu das Meldeformular, das bei der Sanitätsbehörde erhältlich ist, zu verwenden. Das Porto für die Meldungen trägt die Behörde, wenn für die Meldungen Briefumschläge oder Karten verwendet werden, die mit dem Vermerk „Gebührenpflichtige Dienstsache“ und dem Dienstsiegel der empfangenden Behörde versehen sind. Die Poststücke dürfen wegen der hohen Kosten nicht eingeschrieben oder gar mit Zustellnachweis abgesendet werden.
Neben der oben angeführten beschränkten Meldepflicht mittels Meldeformulars ist jeder Arzt, der einen Geschlechtskranken untersucht oder behandelt, zu einer eingehenden und persönlichen Aufklärung und Beratung verpflichtet. Dabei ist insbesondere über die Infektionsmöglichkeiten und die Verhaltensregeln zur Vermeidung einer solchen Infektion zu belehren.
Dabei sind folgende Behandlungsarten jedenfalls verboten:
► die briefliche Behandlung von Geschlechtskrankheiten sowie von Krankheiten und
Leiden der Geschlechtsorgane;
► die Ankündigung, Zusendung oder öffentliche Zurschaustellung von Heilmitteln
zur Bekämpfung dieser Erkrankungen;
► die Ankündigung der Behandlung von Geschlechtskranken in der Tagespresse durch
Ärzte;
► die Behandlung Geschlechtskranker durch Ärzte ohne eigene Wahrnehmung
(Fernbehandlungen);
Die Ankündigung von Mitteln, Gegenständen oder Verfahren zur Heilung oder Linderung von Geschlechtskrankheiten in der Fachpresse ist zulässig, sofern sie sich an Ärzte, Apotheker oder berechtigte Gewerbetreibende wendet.
Der Amtsarzt hat, falls ihm Anzeigen zugehen, den Kranken vorzuladen. Anzeigen, deren Urheber nicht feststellbar sind, sind nicht weiter zu verfolgen. Nach Durchführung einer Untersuchung trifft der Amtsarzt eine Entscheidung über die weitere Vorgehensweise. Es hat entweder die Anordnung einer Behandlung durch einen in Österreich tätigen, niedergelassenen Arzt oder die Einweisung zu einer ambulanten oder stationären Behandlung in eine Krankenanstalt zu erfolgen.
Nach Abschluss der Behandlung kann die Sanitätsbehörde die gesundheitliche Überwachung des Patienten anordnen. Dabei hat der Amtsarzt anzuordnen, ob die weitere Überwachung durch einen in Österreich niedergelassenen Arzt, eine Beratungsstelle oder ein Krankenhaus zu erfolgen hat.
Verstöße gegen das Geschlechtskrankheitengesetz stellen Verwaltungsübertretungen dar und sind strafbar. Verstöße gegen die Bestimmung über die verbotenen Behandlungsarten sind mit Geldstrafe bis zu € 360,00 oder Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen zu bestrafen. Verstöße gegen die anderen Vorschriften des Geschlechtskrankheitengesetzes sind mit Geldstrafe bis zu € 70,00 oder Freiheitsstrafe bis zu zwei Monaten zu bestrafen.
Besonders hinzuweisen ist in diesem Zusammenhang auf die Bestimmungen der §§ 178 und 178 StGB, die eine gerichtliche Strafbarkeit vorsehen. Sowohl die vorsätzliche als auch die bloß fahrlässige Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten stehen damit unter Strafdrohung. Die Verwirklichung der in diesen Normen angeführten Tatbeständen ist gerichtlich strafbar. Die Verwirklichung des § 178 StGB ist mit einer Freiheitsstrafe von bis zu drei, jene des § 179 mit Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder einer Geldstrafe von bis zu 720 Tagessätzen bedroht.