
Die Regelungen des geltenden Sterbeverfügungsgesetzes wurden vom Verfassungsgerichtshof im Wesentlichen akzeptiert
Neuregelung der Sterbehilfe durch das Sterbeverfügungsgesetz 2021
Bis 2021 war in Österreich jede Form der Sterbehilfe verboten. Eine aktive Sterbehilfe wurde und wird weiterhin als „Tötung auf Verlangen“ (§ 77 StGB) strafrechtlich verfolgt. Aber auch die Unterstützung beim Suizid stand ursprünglich uneingeschränkt unter Strafe („Mitwirkung am Selbstmord“ nach § 78 StGB). Der Verfassungsgerichtshof entschied im Dezember 2020, dass diese Bestimmung gegen das Grundrecht auf menschenwürdiges Sterben verstößt. Als Konsequenz auf dieses Erkenntnis wurde das Sterbeverfügungsgesetz 2021 erlassen. Dieses legalisiert die Unterstützung des/der Suizidwilligen, wenn dieser/ diese volljährig ist, an einer unheilbaren tödlichen oder schweren dauerhaften Krankheit leidet und von zwei ÄrztInnen (zumindest eine/r mit palliativmedizinischer Kompetenz) aufgeklärt wurde (vor allem über palliativmedizinische Alternative).
Neuerliche Entscheidung des Verfassungsgerichtshofes
Im Dezember 2024 hatte sich der Verfassungsgerichtshof neuerlich mit dem Thema, diesmal als Beschwerde gegen das neue Sterbeverfügungsgesetz zu befassen.
Im Wesentlichen hat er dabei die Neuregelung der Sterbehilfe als verfassungskonform bestätigt:
- weiterhin gilt, dass die aktive Unterstützung des Sterbewilligen unzulässig ist und dieser selbst die Tötungshandlung durchführen muss (dies wird im Hinblick darauf in der Literatur und Praxis kritisch gesehen, dass es sterbewillige schwer Erkrankte gibt, die aus physischen Gründen nicht mehr in der Lage sind, selbst den Sterbeprozess in Gang zu setzen);
- auch die Einschränkung, dass die Unterstützung nur bei tödlich oder schwer und dauerhaft Erkrankten zulässig ist, wurde akzeptiert;
- ebenso akzeptiert wurde die Voraussetzung der ärztlichen Aufklärung, die die Entscheidungsfähigkeit bestätigen und palliativmedizinische Alternativen aufzeigen soll;
- bestätigt wurde schließlich die gesetzliche Vorgabe, dass die Sterbeverfügung (die notariell oder vor einer Patientenvertretung erfolgen muss) erst frühestens zwölf Wochen (in der terminalen Phase frühestens zwei Wochen) nach der ersten ärztlichen Aufklärung errichtet werden kann.
Aufgehoben hat der VfGH nur zwei, relativ marginale Punkte des Sterbeverfügungsgesetzes:
- dass der Sterbewillige zur Erlangung einer neuerlichen Sterbeverfügung nach einem Jahr (solange gilt die Sterbeverfügung) wieder einer ärztlichen Aufklärung durch zwei ÄrztInnen bedarf, wurde als überschießend gewertet und eine bloße ärztliche Bestätigung über das Weiterbestehen der Entscheidungsfähigkeit als ausreichend angesehen;
- auch das derzeitige absolute Verbot der Werbung für die Suizidbeihilfe wurde als zu weitgehend beurteilt. Weiterhin verboten ist zwar das Anpreisen der Suizidbeihilfe, das Anbieten oder Ankündigen geeigneter Hilfeleistungen soll aber in Hinblick auf das Recht auf freie Meinungsäußerung in Zukunft gestattet sein.
Auch EGMR bestätigt Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten
Im Übrigen hat auch der EGMR, der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte, als höchste Instanz für die Auslegung der in der Europäischen Menschenrechtskonvention verankerten Grundrechte in einer jüngeren Entscheidung bestätigt, dass die Mitgliedstaaten Ermessensspielraum haben, ob und inwieweit sie die Beihilfe zum Suizid unter Strafe stellen.
VfGH 12.12.2014, G 229/2023
EGMR 13.6.204, 32.312/23, Daniel Karsai/Ungarn.
Hon.-Prof. Dr. Felix Wallner