2. Arzneimittelgesetz

Das derzeit geltende österreichische Arzneimittelgesetz (AMG) geht auf die beginnenden 1980er Jahre zurück, damals hat es der Gesetzgeber – wohl richtigerweise – für notwendig erachtet, für das Arzneimittelwesen nach jahrelangen politischen Diskussionen in Summe eine neue gesetzliche Grundlage zu schaffen und die damals noch geltende Spezialitätenordnung aus den Nachkriegsjahren außer Kraft zu setzen. Heute zeichnet sich das Arzneimittelgesetz durch seine sehr starke Dynamik und die vielen Querbezüge zu anderen Gesetzen (Medizinproduktegesetz, Apothekengesetz, Rezeptpflichtgesetz, etc.) aus. Der Sinn und Zweck des Arzneimittelrechts liegt sowohl in der Sicherstellung der ausreichenden Versorgung der Bevölkerung mit Arzneimitteln als auch in der Qualitätssicherung und Gewährung der Transparenz für die Arzneimittelanwender.

Unter „Arzneimittel“ im Sinne des Arzneimittelgesetzes werden Stoffe und Zubereitungen verstanden, die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen bzw. nach der Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind,
►    Krankheiten, Körperschäden und dergleichen zu heilen, lindern, verhüten oder zu erkennen,
►    die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände erkennen zu lassen,
►    menschliche Wirkstoffe oder Körperflüssigkeiten zu ersetzen,
►    Krankheitserreger, Parasiten oder körperfremde Stoffe abzuwehren, zu beseitigen oder unschädlich zu machen oder
►    die Beschaffenheit, den Zustand oder die Funktionen des Körpers oder seelische Zustände zu beeinflussen.
Bei der Beurteilung, ob ein Arzneimittel vorliegt, wird demnach sowohl auf die objektive Zweckbestimmung („… die nach der allgemeinen Verkehrsauffassung dazu dienen…“) als auch auf die subjektive Zweckbestimmung (…“nach der Art und Form des Inverkehrbringens dazu bestimmt sind …“) abgestellt. Es ist im Regelfall wohl davon auszugehen, dass beide Kriterien zutreffen, für die Beurteilung, ob es sich tatsächlich um ein Arzneimittel handelt, genügt es allerdings nach dem Gesetzeswortlaut, wenn eines der beiden Kriterien erfüllt ist. Definitiv nicht als Arzneimittel zu qualifizieren sind unter anderem Lebensmittel, Lebensmittelzusatzstoffe Kosmetika, Medizinprodukte, Tabakerzeugnisse, natürliche Heilvorkommen und Produkte aus einem natürlichen Heilvorkommen.

 

2.1. Arzneispezialitäten

Arzneispezialitäten sind Arzneimittel, die im Voraus stets in gleicher Zusammensetzung hergestellt und unter der gleichen Bezeichnung in einer zur Abgabe bestimmten Form in Verkehr gebracht werden. Ebenso maßgeblich für Arzneispezialitäten ist, dass entweder bei deren Herstellung ein industrielles Verfahren zur Anwendung kommt oder sie gewerbsmäßig hergestellt werden. Von einem industriellen Herstellungsverfahren ist grundsätzlich dann auszugehen, wenn eine breite Herstellung nach einheitlichen Vorschriften, in größerer Menge und unter Einsatz entsprechender Produktionseinrichtungen erfolgt. Eine gewerbsmäßige Herstellung liegt vor, wenn sie selbständig, regelmäßig und in der Absicht betrieben wird, einen Ertrag oder sonstigen wirtschaftlichen Vorteil zu erzielen. Der im Alltag häufig verwendete Begriff des „Medikaments“ entspricht der Arzneimittelspezialität gemäß dem Arzneimittelgesetz. Eine Arzneispezialität bzw. ein Medikament zeichnet sich demnach durch eine gleichbleibende Zusammensetzung und Inhaltsmenge, eine gleiche Packung, eine gleiche Bezeichnung und eine gebrauchsfertige Form aus.

 

Die Zulassungspflicht gilt grundsätzlich nur für Arzneispezialitäten, das heißt, diese dürfen im Inland erst abgegeben bzw. für die Abgabe im Inland bereitgehalten werden, wenn sie vom Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) zugelassen sind. Die Zuständigkeit ist mit 1. Jänner 2006 auf das BASG übergegangen, vorher war für die Zulassung von Arzneispezialitäten das Bundesgesundheitsministerium zuständig. Ausnahmen von der gesetzlichen Zulassungspflicht bestehen unter anderem insofern, als eine Arzneispezialität zur Durchführung einer (nicht)klinischen Prüfung bestimmt ist, ein zur selbständigen Berufsausübung berechtigter Arzt bescheinigt, dass eine Arzneispezialität zur Abwehr einer Lebensbedrohung oder schweren gesundheitlichen Schädigung dringend benötigt wird und dieser Erfolg mit einer zugelassenen und verfügbaren Arzneispezialität nach dem Stand der Wissenschaft voraussichtlich nicht mehr erzielt werden kann oder einer Arzneispezialität vom BASG eine Genehmigung für deren Inverkehrbringen im Rahmen eines „Compassionate use Programms“ erteilt wurde. Unter „Compassionate use“ versteht man, dass ein Arzneimittel aus humanen Erwägungen einer Gruppe von Patienten zur Verfügung gestellt wird, die an einer zu Invalidität führenden chronischen oder schweren Krankheit leiden oder deren Krankheit als lebensbedrohend gilt und die mit einem genehmigten Arzneimittel nicht zufriedenstellend behandelt werden können.

 

Zulassungspflichtige Arzneispezialitäten dürfen nur in Verkehr gebracht werden, wenn die Handelspackung eine in Übereinstimmung mit der Zusammenfassung der Produkteigenschaften erstellte Gebrauchsinformation in deutscher Sprache enthält. Folgende Angaben hat eine Gebrauchsinformation für Humanarzneispezialitäten zu enthalten: den Namen der Arzneispezialität, gefolgt von der Stärke und der Darreichungsform, die pharmazeutisch-therapeutische Klasse oder Wirkungsweise in einer leicht verständlichen Form, die Anwendungsgebiete, die Gegenanzeigen, entsprechende Vorsichtsmaßnahmen für die Verwendung, die Wechselwirkungen, besondere Warnhinweise, die für eine ordnungsgemäße Verwendung erforderlichen üblichen Anweisungen (Dosierung, Maßnahmen für den Fall einer Überdosierung, etc.), eine Beschreibung der Nebenwirkungen, einen Verweis auf das Verfalldatum sowie eine Warnung vor der Verwendung der Arzneispezialität nach Überschreiten dieses Datums, eine vollständige qualitative und quantitative Zusammensetzung, den Inhalt, Name und Anschrift des Zulassungsinhabers und des Herstellers, das Datum der Erstellung der Gebrauchsinformation, die Packungsgrößen der Arzneispezialität und die Zulassungsnummer. Darüber hinaus sind auch noch weitere Angaben in der Gebrauchsinformation zulässig, wenn diese mit der Verabreichung in Zusammenhang stehen, für den Anwender oder Verbraucher wichtig sind und den Angaben der Fachinformation nicht widersprechen. Noch detailliertere Informationen hinsichtlich des Inhalts einer Gebrauchsinformation enthält die Gebrauchsinformationsverordnung 2008 des Bundesgesundheitsministeriums.

 

In dieses Register, welches vom BASG zu führen ist, sind unter einer fortlaufenden Nummer alle zugelassenen Arzneispezialitäten, alle zugelassenen homöopathischen, apothekeneigenen und traditionell pflanzlichen Arzneispezialitäten einzutragen. Ebenso der Eintragungspflicht in das Register unterliegt jede Änderung oder Aufhebung einer Zulassung, Genehmigung oder Registrierung einer Arzneispezialität. Auch die in diesem Zusammenhang erstellten Gutachten sind seitens des BASG im Internet zu veröffentlichen, von dieser Veröffentlichung ausgenommen sind allerdings jene Daten, bei denen aus kommerziellen Gründen ein Geheimhaltungsinteresse des Zulassungs- oder Registrierungsinhabers besteht.

Traditionelle pflanzliche Arzneispezialitäten – diese enthalten als Wirkstoffe ausschließlich pflanzliche Stoffe bzw. Zubereitungen – dürfen im Inland erst abgegeben bzw. für die Abgabe bereitgehalten werden, wenn sie beim BASG gemeldet und entsprechend registriert wurden. Eine derartige Registrierung setzt unter anderem voraus, dass die Anwendungsgebiete der Arzneispezialität ausschließlich denen traditioneller pflanzliche Arzneimittel entsprechen, dass eine traditionell pflanzliche Arzneispezialität ausschließlich in einer bestimmten Stärke und Dosierung verabreicht wird und dass sie nur zur oralen oder äußerlichen Anwendung bzw. zur Inhalation bestimmt ist. Das nunmehr für traditionell pflanzliche Arzneispezialitäten im Arzneimittelgesetz normierte Registrierungsverfahren beim BASG ersetzt das vorherige vereinfachte Zulassungsverfahren. Die Gebrauchsinformation für eine traditionell pflanzliche Arzneispezialität hat zusätzlich zu jenen Angaben, die auch bei einer zugelassenen Arzneispezialität notwendig sind, den Hinweis zu enthalten, dass es sich um eine traditionell pflanzliche Arzneispezialität handelt und dass bei Anhalten der Beschwerdesymptome bzw. bei Auftreten nicht in der Gebrauchsinformation erwähnter Nebenwirkungen ein Arzt konsultiert werden soll.

 

Diese ist eine systematische Untersuchung eines Arzneimittels an einem Prüfungsteilnehmer. Eine Klinische Prüfung wird durchgeführt, um Wirkungen von Prüfpräparaten zu erforschen oder nachzuweisen, um Nebenwirkungen von Prüfpräparaten festzustellen oder um die Resorption, die Verteilung, den Stoffwechsel und die Ausscheidung von Prüfpräparaten zu untersuchen. Nicht unter den Begriff einer „Klinischen Prüfung“ fallen allerdings individuelle Heilversuche, die notwendiger Bestandteil einer Therapie sind und bei denen der individuelle Nutzen für den einzelnen Patienten gegenüber dem Erkenntnisgewinn für die Medizin insgesamt deutlich überwiegt.

 

Eine nichtklinische Prüfung ist die pharmakologische oder toxikologische Prüfung eines Arzneimittels, die nicht am Menschen durchgeführt wird. Sie ist Voraussetzung für die rechtmäßige Durchführung einer Klinischen Prüfung.

2.2. Werbebeschränkungen

Darunter werden alle Maßnahmen zur Information, Marktuntersuchung, Marktbearbeitung und zur Schaffung von Anreizen verstanden, deren Ziel darin liegt, die Verschreibung, Abgabe, den Verkauf oder Verbrauch von Arzneimitteln zu fördern. Primär ist zwischen der Fach- und Laienwerbung zu unterscheiden, aber auch die Abgabe von Ärztemustern oder der Besuch des Pharmareferenten bei zur Verschreibung oder Abgabe berechtigten Personen wird als Arzneimittelwerbung verstanden. Eine Werbung für Arzneimittel ist nur für bestimmte Gruppen zulässig, so zum Beispiel für zugelassene Arzneispezialitäten und registrierte traditionelle pflanzliche oder homöopathische Arzneispezialitäten. Eine Arzneimittelwerbung muss allgemein die Eigenschaften einer Arzneispezialität objektiv und wahrheitsgetreu darstellen, sie darf keine Aussagen und bildlichen Darstellungen enthalten, die unter anderem dem Arzneimittel eine über die tatsächliche Wirkung hinausgehende Wirkung beimessen oder womit fälschlich der Eindruck erweckt wird, dass der angestrebte Erfolg regelmäßig erwartet werden kann. Eine Arzneimittelwerbung darf demnach auch keine Angaben und Informationen enthalten, die mit dem Inhalt der Fachinformation in einem sachlichen Widerspruch stehen.

 

Unter Fachwerbung ist die Arzneimittelwerbung zu verstehen, die für jenen Personenkreis vorgesehen ist, die zur Anwendung und Abgabe eines Arzneimittels berechtigt sind. So gesehen ist auch die Werbung gegenüber Ärzten selbstverständlich als Fachwerbung zu qualifizieren. Die nähere inhaltliche Ausgestaltung einer derartigen Fachwerbung ist in der so genannten Fachinformationsverordnung 2008 geregelt, wonach eine Fachinformation, worunter die Zusammenfassung der Produkteigenschaften zu verstehen ist, unter anderem Informationen hinsichtlich Nebenwirkungen, der Dosierung und der Dauer der Haltbarkeit zu enthalten hat.

 

Im Gegensatz zur Fachwerbung ist unter Laienwerbung die Arzneimittelwerbung zu verstehen, die für Verbraucher bestimmt ist. Laienwerbung muss so gestaltet sein, dass der Werbecharakter deutlich zum Ausdruck kommt und dass das Produkt eindeutig als Arzneimittel dargestellt wird. Rezeptpflichtige Arzneispezialitäten dürfen ebenso wenig wie registrierte homöopathische Arzneispezialitäten beworben werden. Gemäß dem Allgemeinen Sozialversicherungsgesetz unterliegen prinzipiell auch rezeptfreie Medikamente dem Werbeverbot, sofern sie im Erstattungskodex angeführt sind. Inhaltlich darf eine Laienwerbung beispielsweise keine Elemente enthalten, die eine ärztliche Untersuchung oder einen chirurgischen Eingriff als überflüssig erscheinen lassen oder die nahelegen, dass die Wirkung des Arzneimittels ohne Nebenwirkungen garantiert wird bzw. dass die normale gute Gesundheit des Patienten durch die Anwendung des Arzneimittels verbessert werden könnte oder im Falle der Nichtanwendung beeinträchtigt werden könnte. Die Werbung darf auch nicht den Eindruck vermitteln, dass es sich dabei um ein Lebensmittel, ein Nahrungsergänzungsmittel oder um einen Kosmetikartikel handle.

 

Das Arzneimittelgesetz sieht ein generelles Verbot finanzieller oder materieller Vorteile für Personen, die zur Verschreibung oder Abgabe von Arzneimitteln berechtigt sind, vor. Davon ausgenommen sind lediglich Vorteile, die von geringem Wert und für die medizinische oder pharmazeutische Praxis von Belang sind. Vice versa ist es auch dem zur Verschreibung oder Abgabe berechtigten Personenkreis untersagt, finanzielle oder materielle Vorteile zu fordern, sich versprechen zu lassen oder diese anzunehmen. Trotz des generellen Verbotes der Vorteilsannahme im Zusammenhang mit der Verschreibung oder Abgabe von Arzneimitteln ist sowohl die direkte als auch indirekte Übernahme von angemessenen Reise- und Aufenthaltskosten sowie der Teilnahmegebühren bei ausschließlich berufsbezogenen wissenschaftlichen Veranstaltungen durchaus erlaubt. Wichtig dabei ist, dass der Repräsentationsaufwand immer streng auf den wissenschaftlichen Hauptzweck der Veranstaltung begrenzt ist. Gesetzlich ausdrücklich untersagt ist die Übernahme von Reise- und Aufenthaltskosten, allfälliger Teilnahmegebühren sowie des Repräsentationsaufwandes für dritte Personen (z.B. Ehepartner von Ärzten). Dies deckt sich im Wesentlichen auch mit dem Ärztlichen Verhaltenskodex der Österreichischen Ärztekammer.

 

Sowohl die Gewährung als auch das Anbieten und Versprechen von Naturalrabatten an Personen, die zur Verschreibung oder Abgabe berechtigt sind, sind verboten, sofern es sich um Arzneimittel handelt, die im Erstattungskodex enthalten sind. Vice versa ist es wiederum auch dem zur Verschreibung oder Abgabe berechtigten Personenkreis untersagt, finanzielle Naturalrabatte zu fordern, sich versprechen zu lassen oder diese anzunehmen. Diese durchaus teilweise umstrittene Regelung des Arzneimittelgesetzes wurde mittlerweile auch vom Verfassungsgerichtshof als verfassungskonform bestätigt. Zudem ist zu beachten, dass das Verbot der Gewährung von Naturalrabatten in der Form nicht für die Träger von Krankenanstalten gilt, weil dabei davon ausgegangen wird, dass die Anschaffung von Arzneimitteln durch die Rechtsträger zum Zweck der anstaltsinternen Anwendung erfolgt, wovon die Verschreibung und Abgabe von Arzneimitteln durch dazu berechtigte Personen zu unterscheiden ist.

 

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