Judikaturlinie für augenärztliche Shop-in-Ordi-Konstruktionen bestätigt!
Schon seit 2014 judiziert der Oberste Gerichtshof, dass die bloße räumliche Verbundenheit einer Augenarztordination mit einem Kontaktlinsen- oder Augenoptikerbetrieb keine Werbung darstellt und damit nicht rechtswidrig ist. Auch die räumliche Kooperation durch einen gemeinsamen Eingang oder die gemeinsame Nutzung der Refraktionseinheit durch einen Augenarzt und einen Optiker, sowie gemeinsame Öffnungszeiten bewirken nach der Judikatur des OGH keinen unlauteren Kundenfang und wird auch kein psychischer Kaufzwang für den Patienten bewirkt, weswegen die Konstruktion nicht gegen das Wettbewerbsrecht verstößt. Bloße Shop-in-Ordi-Konstruktionen schränken die Willensfreiheit der Kunden – und darauf kommt es an – nicht ein, weswegen der Oberste Gerichtshof bisher räumliche Kooperationen zwischen Augenärzten und Kontaktlinsen- und Augenoptikern – selbst wenn der Augenarzt den Kontaktlinsenoptikerbetrieb oder den Augenoptikerbetrieb selbst führt oder bei Gesellschaften beteiligt ist – nicht beanstandet hat.
Anders hat das Höchstgericht entschieden, wenn die Willensfreiheit des Kunden eingeschränkt war. Das ist dann der Fall, wenn beispielsweise Brillenverordnungen mittels einer räumlich zwischen der Ordination und dem Optikerbetrieb installierten Rohrpostanlage ohne ausdrückliche Zustimmung des Patienten von der Ordination in den darunter situierten Optikerbetrieb geleitet werden. In einem solchen Fall kann der Patient/Kunde keine freie Willensentsheidung darüber treffen, wo er die Verordnung einlöst. Er müsste die Verordnung zuerst vom Optiker, dem sie mittels Rohrpostanlage zugeleitet wurde, abholen, was Patienten regelmäßig unangenehm ist. Das hat der Oberste Gerichtshof als psychischen Kaufzwang gewertet.
Im aktuell entschiedenen Fall stand wieder eine räumliche Kooperation eines Facharztes für Augenheilkunde und Optometrie mit einer GmbH, die einen Kontaktlinsenoptikerbetrieb führt sowie einer weiteren GmbH, die einen Augenoptikerbetrieb führt, auf dem Prüfstand. Den Gesellschaften ist der Augenarzt maßgeblich beteiligt.
Die Augenarztordination befindet sich in einem Stockwerk eines Gebäudes und unmittelbar angrenzend an die Augenordination das Optikergeschäft. Auf der Straße gibt es keinen Hinweis auf das Optikergeschäft, sondern nur auf die Augenordination und das Kontaktlinseninstitut. Die Ordination und der Optikerbetrieb verfügen im Haus über zwei getrennte Eingänge, allerdings kann man aus dem Anmelde- und Wartebereich der Augenarztordination ungehindert in Richtung der Räumlichkeiten des Optikerbereichs blicken und auch direkt dort hingelangen, ohne die Ordination durch die Eingangstür zu verlassen. Zwischen der Augenarztordination und dem Bereich der Augenoptik sind am Fußboden und an der dem Eingang gegenüberliegenden Wand 3cm große blaue Punkte als Grenzlinie aufgeklebt. Sonst besteht keine weitere räumliche Trennung. Möchte ein Patient die Toilette benutzen, kann er durch den Augenoptikerbereich durchgehen. Er könnte aber auch die Ordination durch die Eingangstür verlassen, und dann im Gang durch die Tür mit der Aufschrift „Optikerbetrieb“ eintreten und zur Toilette gehen. In der Augenarztordination werden keine Brillen verkauft, es befindet sich jedoch ein Brillenschaukasten mit historischen Modellen als Augenausstellungsstück dort.
Die Zulässigkeit dieser Konstellation wurde durch den Wettbewerbsschutzverband beanstandet und vorgebracht, der beklagte Augenarzt verstoße gegen § 3 der Verordnung Arzt und Öffentlichkeit 2014 und auch gegen weitere andere berufsrechtliche, standesrechtliche und kassenrechtliche Vorschriften. Es wurde behauptet, allein diese räumliche Situation bringe Patienten in eine psychische Drucksituation. Sowohl das Erstgericht als auch das Berufungsgericht wiesen schon die Klagen ab. Auch der Oberste Gerichtshof entschied nun, dass die rechtliche Würdigung des Berufungsgerichtes den Grundsätzen der ständigen Rechtsprechung in solchen Fragen entspricht und die Entscheidung des Berufungsgerichtes vertretbar ist. Der Oberste Gerichtshof wiederholte, dass die bloße räumliche Nähe zwischen Arzt und Optiker im Allgemeinen keine Werbemaßnahme des einen für den anderen darstellt und deshalb per se nicht lauterkeitswidrig sein kann.
Dr. Sylvia Hummelbrunner, MBL PM.ME