Übergabe der Patientenkartei nur an Kassenplan- oder Ordinationsstättennachfolger
Weitergabe von Patientendaten bei Ordinationsaufgabe
Ein Arzt für Allgemeinmedizin gab im Zuge seiner Pensionierung seine Patientenkartei an eine Ärztin, welche ca. 350 Meter von seinem bisherigen Standort eine Ordination führte, weiter. Mittels Aushang in der Ordination wurden die Patienten über diesen Umstand unterrichtet und in Folge die Daten an die andere Ärztin übertragen, ausgenommen jene Fälle, in denen ein ausdrücklicher Widerspruch der Patienten vorlag. Die Kassenplanstelle wurde mit einem anderen Arzt besetzt.
Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger Daten verletzt
Der die Arztordination aufgebende Arzt hat die IT-gestützt erfasste Dokumentation von ca. 15.400 Patienten in elektronischer Form an seine Kollegin, die ihrerseits die Praxis in unmittelbarer Nähe eröffnete, übergeben, obwohl letztere weder Ordinationsstätten- noch Kassenplanstellennachfolgerin war. Diese Ärztin verwendete die Dokumentation nur mit Einwilligung der betroffenen Patienten.
Mit Bescheid vom 01.06.2018 stellte die Datenschutzbehörde Folgendes fest:
- Der Allgemeinmediziner hat durch diese rechtswidrige Weitergabe der Patientenkartei die betroffenen Personen in ihrem Recht auf Geheimhaltung schutzwürdiger personenbezogener Daten verletzt.
- Es erfolgte der Auftrag an den pensionierten Arzt, die Patientenkartei der gesetzlich zuständigen Kassenplanstellennachfolgerin zu übergeben.
- Diejenige Arztkollegin, welche die Patientenkarteien zu Unrecht erhalten hat, erhielt die Anweisung, diese an den bisherigen Inhaber zurückzustellen und alle Patientendaten zu löschen.
Das Bundesverwaltungsgericht (W2582201288-1) bestätigte die datenschutzwidrige Übergabe der Patientenkartei, behob jedoch Spruchpunkt 2 zur Gänze und änderte Spruchpunkt 1. und 3. zusammengefasst wie folgt ab:
A.1. Durch die Übergabe der Patientenkartei an eine gesetzlich nicht empfangsbefugte Arztkollegin hat der pensionierte Arzt die betroffenen Patienten in ihren Rechten auf Geheimhaltung personenbezogener schutzwürdiger Daten verletzt.
A.2. Die nunmehrige Inhaberin der Patientenkarteien wurde zur Rückstellung dieser an den pensionierten Arzt und zur Löschung der Daten beauftragt.
Die ordentliche Revision wurde gemäß Art 133 Abs 4 B-VG für zulässig erachtet und die Spruchpunkte A.1. und A.2. (nicht jedoch die ersatzlose Behebung des Spruchpunktes 2.) auch beim VfGH bekämpft. Letzterer hat die Beschwerde an den VwGH zur Entscheidung abgetreten.
Verpflichtung zur (Rück)Übermittlung der Patientenkartei an pensionierten Arzt
Der VwGH (Ro 2019/04/0221) hob den Spruchpunkt A.1. zur Gänze auf, weil Art 58 Abs 2 lit d DSGVO keine rechtliche Grundlage für einen gesonderten Abspruch in Form der Feststellung der Rechtsverletzung, die den jeweiligen Anlass für die Abhilfeentscheidung bildet, bietet.
Hinsichtlich der Rückstellungsverpflichtung wurde ausgeführt, dass die die Patientenkartei übernehmende Ärztin weder die Ordinationsstättennachfolgerin noch die Kassenplanstellennachfolgerin war, weswegen sie die Patientenkartei rechtswidrig von ihrem Vorgänger übernommen hat. Diese Datenschutzverletzung konnte nur durch die angeordnete Verpflichtung zur Rückübermittlung der Partientenkartei an den Vorgänger sowie durch Löschung der Daten beseitigt werden.
Patientendokumentation nur an Kassenplanstellen- oder Ordinationsstättennachfolger
Zusammenfassend ist daher festzuhalten, dass eine Weitergabe der Patientendaten nur an den Kassenplanstellennachfolger oder, sollte ein solcher nicht gegeben sein, an den Ordinationsstättennachfolger datenschutzrechtlich zulässig ist. Eine Weitergabe an andere Ärzte zur Aufbewahrung widerspricht den gesetzlichen Regelungen.
Mag. iur. Barbara Hauer, LL.M., MBA