Spirale gebrochen – keine Haftung des Herstellers bei Geburt eines gesunden Kindes
Gesundes Kind wegen fehlerhafter Verhütungsspirale
Die Kläger und Eltern eines Anfang 2020 geborenen Kindes begehrten vom Produzenten des kupferhaltigen Intrauterinpessars „Gold T mini“ wegen eines Chargenfehlers unter Berufung auf das Produkthaftungsgesetz Schmerzengeld und Auslagenersatz sowie die Haftung für zukünftige Folgeschäden aufgrund der ungewollten Schwangerschaft und Geburt.
Begründet wurde dies jeweils mit beruflichen Nachteilen sowie den negativen wirtschaftlichen Auswirkungen hinsichtlich Verdienst und späterer Pensionshöhe. Weiters würden spätere Krankheiten oder Unfälle des gesunden Kindes nicht ausgeschlossen werden können.
Trotz Kenntnis des Herstellers der Verhütungsmittel über mehrere Fälle von Spiralbrüchen und deren Fehlerhaftigkeit hätte dieser falsch und verspätet reagiert und die Fachärzte für Frauenheilkunde und Geburtshilfe entweder überhaupt nicht oder zumindest unrichtig informiert, so der Vorwurf der klagenden Eltern.
Vom beklagten spanischen Produzenten wurde die Kausalität des behaupteten Produktfehlers bestritten, zumal im konkreten Fall die Spirale erst bei deren Entfernung – und nicht bereits vorher – gebrochen sei. Die Unwirksamkeit dieses Verhütungsmittels sei daher durch ein so genanntes typisches Risiko, nämlich die Dislokation, entstanden. Zudem stelle die Geburt eines gesunden Kindes keinen Schaden dar, selbst bei anderer Beurteilung wäre gegen die Schadenminderungspflicht verstoßen worden, zumal sich die Kläger auch für einen Schwangerschaftsabbruch hätten entscheiden können.
Eltern haben keinen Anspruch gegen den Hersteller der fehlerhaften Spirale
Das Erstgericht wies das Klagebegehren beider Elternteile ab, das Berufungsgericht bestätigte dieses Urteil und ließ die ordentliche Revision zu.
Mangels bindender Wirkung des Ausspruches des Berufungsgerichtes erachtete der OGH (8 Ob 69/21m) die Revision der klagenden Eltern für nicht zulässig, zumal nach ständiger Rechtsprechung die Geburt eines gesunden Kindes, selbst wenn es ungewollt sei, keinen ersatzfähigen Schaden darstelle. In der Abwägung haben die Grundsätze der Personenwürde und der Familienfürsorge Vorrang vor den Schadenersatzfunktionen und Haftungsgründen, so der OGH. Bei der verschuldensunabhängigen Haftung nach dem Produkthaftungsgesetz seien „reine“ Vermögensschäden nicht ersatzfähig, zumal diese selbst bei der Verschuldenshaftung außer Acht blieben. Lediglich absolut geschützte Rechtsgüter seien miteinzubeziehen, wenn diese durch das fehlerhafte Produkt beschädigt wurden. Somit seien die von den Klägern geltend gemachten Aufwände als mittelbare Folgen eines Schadens an einem anderen Rechtsgut nicht ersatzfähig.
Mögliche gesetzliche Konsequenzen auch für Mediziner
In Anbetracht der Tragweite der Auswirkungen dieser fehlerhaften Verhütungsmittel sowohl hinsichtlich der Anzahl, die auch in Österreich eingesetzt wurden und der bereits bestehenden ungewollten Schwangerschaften sowie der bei der Entfernung der defekten Spiralen bestehenden Probleme und der damit verbundenen Schmerzen und möglichen Komplikationen werden auch gesetzliche Änderungen angedacht. In diesem Sinne sieht ein Ministerialentwurf zum Medizinproduktegesetz die „Einführung einer ausdrücklichen gesetzlichen Verpflichtung zur nachweislichen und ohne unnötigen Aufschub erfolgenden Information betroffener Patientinnen und Patienten durch die für die Implantation verantwortlichen Gesundheitseinrichtungen oder Ärztinnen und Ärzte über Gesundheitsgefährdungen durch fehlerhafte Implantate“ vor.
Mag. Barbara Hauer, LL.M., MBA