„Schockschäden“ im Rahmen von Schmerzengeld nach neuerer Rechtsprechung zugesprochen
Depressive Anpassungsstörung mit Krankheitswert in Folge des plötzlichen Todes aufgrund eines Kunstfehlers
Unstrittig ist, dass in Folge eines Kunstfehlers der Kläger seine Ehefrau verlor. Die behandelnde Ärztin hat den Schaden mit leichter Fahrlässigkeit herbeigeführt. Durch den plötzlichen Tod kam es beim Kläger zu einer akuten Belastungsreaktion, die mit einer normalen Trauerreaktion vergleichbar ist. Zudem kam jedoch eine depressive Anpassungsstörung mit Krankheitswert hinzu. Die Beschwerden haben sich nur langsam gebessert und waren als Restbeschwerden im Sinne einer üblichen Trauerreaktion noch bis zum Verfahren vorhanden.
Revisionsverfahren vor dem OGH
Das Erstgericht und sodann auch das Berufungsgericht vertraten im Wesentlichen den Rechtsstandpunkt, dass die Beklagten dem Kläger für die durch den Tod seiner Ehefrau eingetretene depressive Anpassungsstörung mit Krankheitswert haften. Beide Unterinstanzen differenzierten, ob es sich um reine Trauerschmerzen handelte oder um sogenannte Schockschäden. Sowohl das Erst- als auch das Berufungsgericht vertraten die Rechtsansicht, dass Schockschäden auch bei leichter Fahrlässigkeit zu ersetzen sind. Das Berufungsgericht hat zudem ausgeführt, dass das Erleiden eines krankheitswerten Schockschadens sich nach der Rechtsprechung auf die Bemessung des Schmerzengeldes regelmäßig erhöhend auswirkt. Der Kläger erhielt den gesamten begehrten Schmerzengeldbetrag zugesprochen. Die Beklagten erhoben jedoch Revision an den Obersten Gerichtshof (9Ob9/22x). Die außerordentliche Revision wurde zur Klarstellung dieser Rechtsfrage für zulässig und teilweise berechtigt erachtet.
Schockschäden bei leichter Fahrlässigkeit ersatzfähig und vom Trauerschmerzengeld abzugrenzen
In der Begründung wird auf die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes Bezug genommen. Trotz kritischer Stimmen in der Lehre wird seitens des Obersten Gerichtshofes daran festgehalten, dass ein Ersatz von bloßem Trauerschaden, somit die unfallkausale psychische Beeinträchtigung des Angehörigen mit Krankheitswert, nur dann zusteht, wenn grobe Fahrlässigkeit oder Vorsatz des Schädigers gegeben erscheint. Darüber hinaus gehend ist jedoch der Schockschaden vom Trauerschmerzengeld abzugrenzen. In diesen Fällen ist anders als bei bloßer Trauer der Tatbestand des § 1325 ABGB erfüllt, wobei die Schädigung aber die Reflexwirkung einer Erstschädigung ist. Bei einem Schockschaden bietet die eingetretene Gesundheitsgefährdung einen objektiven Anhaltspunkt für das Vorliegen und das Ausmaß eines ideellen Schadens. Auch im Fall von seelischen Schmerzen sind die einzelnen Bemessungskriterien als bewegliches System zu verstehen und eine globale Bemessung vorzunehmen.
Im Revisionsverfahren wurde daher vom OGH bestätigt, dass im gegenständlichen Fall der Zuspruch des Schockschadens im Rahmen des Schmerzengeldes – jedoch mit einer Korrektur der Höhe nach – zu Recht erfolgte.
Mag. Tanja-Müller-Poulakos, LL.M.