Rechtswidrige Abgabe von Medikamenten in der Ordination
Übergabe der Arzneimittel als Erste Hilfeleistung?
Der beklagte Hausarzt verfügte über eine Hausapothekenbewilligung an einem anderen Standort, in der klagsgegenständlichen Ordination jedoch nicht. Genau in dieser Ordination gab er an einen deutschen Staatsangehörigen, der über massive Schmerzen im Lendenwirbelsäulenbereich klagte, jeweils eine ganze Packung Voltaren und Pantoloc ab. Am selben Tag verkaufte er noch eine Packung Mefenam – ebenso an einen Patienten aus Deutschland – wegen starker Migräne-Kopfschmerzen. Nicht festgestellt werden konnte, ob die beiden Patienten bereits eine Tablette in der Ordination einnahmen.
Verstoß gegen Apothekenvorbehalt
Laut Ansicht der Apothekerkammer habe sich der Arzt durch sein Verhalten unlauter gemäß § 1 UWG verhalten und erhob daher ein mit Euro 34.000,-- bewertetes Unterlassungsbegehren, ein mit Euro 1.000,-- bewertetes Veröffentlichungsbegehren sowie einen (Haupt-)Sicherungsantrag zusammengefasst mit folgendem Inhalt: Der beklagte Arzt habe es zu unterlassen, ohne Hausapothekenbewilligung Arzneimittel abzugeben, sofern es nicht in dringenden Fällen gemäß § 57 ÄrzteG notwendig sei oder sonstige Ausnahmeregelungen (z.B. Ärztemuster) bestünden.
Der beklagte Arzt für Allgemeinmedizin brachte vor, dass der Verdacht bestehe, die beiden Patienten seien von der klagenden Partei beauftragt worden und hätten aufgrund ihrer Schmerzen einen medizinischen Ausnahmezustand vorgetäuscht. Aufgrund der geschilderten Dringlichkeit in beiden Fällen habe er diesen Patienten Medikamente aus dem ärztlichen Notapparat überreicht und rechtfertigte die gesamte Packungsabgabe damit, dass er keine angebrauchten Arzneimittelpackungen verwende.
Das Erstgericht gab dem (Haupt-)Sicherungsantrag statt. Zur Leistung von Erster Hilfe wäre es ausreichend gewesen, nur die Menge des Arzneimittels abzugeben, die der Patient benötigt hätte, um die 2 km entfernte Apotheke selbständig aufsuchen zu können.
Unzulässige Medikamentenabgabe und keine –anwendung
Das Oberlandesgericht Innsbruck hielt den vom beklagten Arzt dagegen erhobenen Rekurs für nicht berechtigt, sondern qualifizierte die Übergabe der ganzen Tablettenpackungen als „Abgabe“ von Arzneimitteln zum Zwecke der fortgesetzten Therapie, welche nur in dringenden Fällen zulässig sei.
Mag. iur. Barbara Hauer, LL.M., MBA