Nahe Angehörige - Sachwalter - Bevollmächtigter - Arzt
Wer entscheidet für den Patienten?
Ein dementer Patient im Altenheim braucht eine PEG-Sonde. Rund um das Bett stehen mehrere Angehörige, die sich nicht einig sind, ob diese Maßnahme aus ihrer Sicht gesetzt werden soll. Daneben gibt die Pflegedienstleiterin ihre Vorschläge dazu ab und einen Sachwalter gibt es auch noch – so wird dem behandelnden Arzt erzählt – und außerdem hat der Patient den ältesten Sohn bevollmächtigt, für den Fall der Fälle für ihn zu entscheiden, aber dieser ist derzeit gerade in Amerika. Wer entscheidet nun?
Solche oder ähnliche Situationen werden dem einen oder anderen von Ihnen nicht ganz unbekannt vorkommen. Gerade dann, wenn es in medizinische Grenzbereiche geht und der Patient selbst nicht mehr entscheidungsfähig ist, wächst die Unsicherheit, medizinisch, aber vor allem auch rechtlich, nichts falsch zu machen. Die bisherigen gesetzlichen Regelungen für den Fall, dass ein Patient nicht selbst entscheiden kann, waren dürftig, veraltet und komplex. Der Gesetzgeber hat nun im Rahmen des so genannten Sachwalterrechts-Änderungsgesetzes versucht, modernere und sachgerechtere Vorgaben für diesen Bereich zu machen. Das Gesetz ist bereits erlassen, tritt aber – um eine ausreichende Vorbereitung für alle Betroffenen zu ermöglichen – erst mit 1.7.2007 in Kraft. Es werden darin eine Reihe von Bestimmungen getroffen, die für den tagtäglichen ärztlichen Dienst – sei es in Krankenanstalten oder in der freien Niederlassung – von Bedeutung sind. Im Folgenden sollen daher die wichtigsten Neuerungen im Überblick behandelt werden. Darauf aufbauend werden den einzelnen Themen in den nächsten Ausgaben der OÖ ÄRZTE detaillierte Ausführungen dargestellt.
Neuerungen ab 1.1.2007
Wie bisher hat grundsätzlich der Patient selbst in medizinischen Angelegenheiten die entsprechenden Entscheidungen (Zustimmung, Ablehnung medizinischer Maßnahmen und Behandlungen) zu treffen. Nur wenn er selbst nicht mehr in der Lage dazu ist – seine Einsichts-, Urteils- und/oder Äußerungsfähigkeit verliert – dann können nachfolgende Dritte Personen von ihren Rechten Gebrauch machen.
Nahe Angehörige
Im Gegensatz zur bisherigen Rechtslage, nach der die Angehörigen in medizinischen Belangen praktisch keinerlei Rechte inne hatten, erhalten diese ab 1.7.2007 allgemeine Vertretungsrechte für Geschäfte des täglichen Lebens; dazu zählt zum Beispiel auch die Verfügung über Geldmittel des Angehörigen in bestimmten Grenzen. Aus Sicht der Ärzte ist dabei wichtig, dass nahe Angehörige auch im medizinischen Bereich ein Vertretungsrecht eingeräumt erhalten. Dieses entsteht automatisch, wenn der Patient die Einsichts- und Urteilsfähigkeit verliert. Demnach können nahe Angehörige auch die Zustimmung zu einer medizinischen Behandlung erteilen. Allerdings ist dies auf medizinische Behandlungen beschränkt, die nicht mit einer schweren oder nachhaltigen Beeinträchtigung der körperlichen Unversehrtheit oder der Persönlichkeit verbunden sind. Nicht zugestimmt werden kann daher zum Beispiel operativen Eingriffen, bei denen die Bauchhöhle geöffnet wird, Kopfoperationen, PEG-Sonde, uvm.
Nahe Angehörige sind der Ehegatte, volljährige Kinder, Eltern und der Lebensgefährte, bei gemeinsamem Haushalt für mehr als drei Jahre. Es genügt, wenn ein naher Angehöriger die Erklärung abgibt. Widersprechen sich die Erklärungen mehrerer naher Angehöriger, dann ist keine wirksam und es ist ein Sachwalter zu bestellen.
Vorsorgevollmacht
Die Vorsorgevollmacht ist eine schriftliche Erklärung, die der Patient zu einem Zeitpunkt abgibt, in dem er einsichts- und urteilsfähig ist. Sie wird wirksam, wenn er diese Einsichts-, Urteils- oder Äußerungsfähigkeit verliert. In dieser Erklärung bevollmächtigt der Patient eine oder mehrere andere Personen, für ihn zu handeln und wenn notwendig auch Entscheidungen zu treffen. Die Vorsorgevollmacht kann auch medizinische Entscheidungen betreffen. Der Vorsorgebevollmächtigte ist sozusagen „ein selbst gewählter Sachwalter“. Wenn die Vorsorgevollmacht auch gravierende medizinische Entscheidungen mit umfassen soll, dann muss sie von einem Rechtsanwalt, Notar oder vor Gericht ausgestellt werden. Der Unterschied zur Patientenverfügung besteht darin, dass bei der Patientenverfügung der Patient selbst in einer Urkunde die Entscheidung vorgibt, welche Behandlungen er ablehnen will. Bei der Vorsorgevollmacht gibt er einem von ihm selbst gewählten Dritten die Kompetenz, für ihn Entscheidungen zu treffen. So kann flexibel auf die jeweilige Situation reagiert werden – allerdings entscheidet der Patient nicht selbst.
Sachwalter
Die Bestellung von Sachwaltern soll durch die Stärkung der Rechte der Angehörigen, die Möglichkeit der Erstellung von Vorsorgevollmachten sowie Patientenverfügungen mehr als bisher eingeschränkt werden. Das Gesetz hat auch viele Fragen, die bisher in der Praxis der Sachwalterschaft offen geblieben sind, einer nunmehr klaren Regelung zugeführt und Rechte und Pflichten des Sachwalters genauer definiert. Zu beachten ist, dass der Sachwalter in medizinischen Angelegenheiten nur dann entscheidungskompetent ist, wenn er auch für medizinische Angelegenheiten bestellt wurde. Für gravierende medizinische Eingriffe bedarf der Sachwalter zusätzlich der Zustimmung des Gerichtes bzw. der Vorlage eines Zeugnisses eines anderen Arztes als des behandelnden Arztes, dass dem Patienten die Einsichtsfähigkeit fehlt und die Behandlung notwendig ist. Der Gesetzgeber beschreitet mit diesem Gesetz teilweise gänzlich neuen Boden. Es wird sich in der Praxis erst zeigen müssen, ob die Instrumente praxistauglich sind und angenommen werden. Positiv ist, dass gerade einfache medizinische Behandlungen bei vielen zu Hause oder in Heimen gepflegten Personen nunmehr mit Zustimmung der Angehörigen durchgeführt werden können und dabei keine rechtliche Grauzone wie bisher für den Arzt bleibt. Umgekehrt kommen auf die Ärzte zu den bisher bereits recht komplexen Regelungen der Patientenverfügung und der Entscheidungskompetenz im Bereich jugendlicher Patienten noch weitere diffizile Rechtsinstitute zu.
Mag. Nikolaus Herdega, MSc.