Meldepflichten bei Verdacht von Misshandlungen Minderjähriger
Die Kenntnis des Verdachts von Straftaten gegenüber Minderjährigen ist eine wesentliche Voraussetzung, um einerseits die betroffenen Kinder und Jugendlichen zu schützen und andererseits die entsprechenden Täter mit den einschlägigen Rechtsmitteln verfolgen zu können. Deshalb sind auch für Ärzte entsprechende Meldeverpflichtungen bei Vorliegen derartiger Verdachtsfälle vorgesehen.
So sieht § 54 Abs.5 ÄrzteG ausdrücklich vor, dass der Arzt Anzeige an die Sicherheitsbehörde zu erstatten hat, wenn sich in Ausübung seines Berufes der Verdacht ergibt, dass ein Minderjähriger misshandelt, gequält, vernachlässigt oder sexuell missbraucht worden ist. Dies gilt aufgrund der Vorschriften des Ärztegesetzes ganz generell, auch wenn durch die strafbare Handlung noch keine oder „nur“ eine leichte Körperverletzung resultiert.
Wenn der verdächtigte Tätiger jedoch ein naher Angehöriger des Minderjährigen ist, so kann die Anzeige an die Sicherheitsbehörde so lange unterbleiben, als dies das Wohl des Minderjährigen erfordert und eine Zusammenarbeit mit dem Jugendwohlfahrtsträger und ggf. einer Einbeziehung einer Kinderschutzeinrichtung einer Krankenanstalt erfolgen. Als nahe Angehörige gelten der Ehegatte, Verwandte in gerader Linie, also Eltern, Großeltern, Kinder, Enkelkinder, Geschwister und andere Angehörige, die mit dem Opfer in Hausgemeinschaft leben sowie der in Hausgemeinschaft lebende Lebenspartner eines Elternteils. Eine Anzeigeverpflichtung an die Sicherheitsbehörde besteht jedoch immer – auch wenn es sich um einen nahen Angehörigen handelt – wenn aus der betreffenden Straftat eine schwere Körperverletzung resultiert. Als minderjährige Personen gelten alle die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Das Gesetz sieht die Anzeigeverpflichtung bereits bei Vorliegen des Verdachts vor, es muss daher kein endgültiger Beweis gegeben sein. Es müssen aber über die bloße Vermutung hinausgehende konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Straftatbestandes gegeben sein. Anhaltspunkte können sich daher aus dem Ergebnis medizinischer Untersuchungen, Beobachtungen, Verhalten von Kindern und Jugendlichen oder Inhalten von Gesprächen mit den Minderjährigen und deren Eltern ergeben.
In jedem Fall, also auch dann, wenn die Anzeige an die Sicherheitsbehörde aus den obgenannten Gründen entfallen kann – ist der Arzt verpflichtet unverzüglich und schriftlich Meldung an den zuständigen Jugendwohlfahrtsträger zu erstatten. Der zuständige Jugendwohlfahrtsträger richtet sich nach dem Hauptwohnsitz des Kindes und nicht nach der örtlichen Lage der ärztlichen Ordination oder der Krankenanstalt. Während für die Anzeige an eine Sicherheitsbehörde keine besonderen Formvorschriften vorgesehen sind, ist die Anzeige an den Jugendwohlfahrtsträger jedenfalls schriftlich durchzuführen und hat Name und Adresse des betroffenen Minderjährigen, Name und Adresse des meldenden Arztes sowie Angaben über alle relevanten Wahrnehmungen und daraus gezogenen Schlussfolgerungen zu enthalten. Es wird dafür ein bundesweit standardisiertes Mitteilungsformular angeboten, das alle gesetzlich erforderlichen Inhalte enthält, dessen Anwendung naturgemäß für die Ärzte freiwillig bleibt. Die konkrete Durchführung der Anzeigen im Bereich der Krankenanstalten obliegt der inneren Organisation der jeweiligen Krankenanstalt, es ist aber sicherzustellen, dass eine Anzeige erfolgt. Das bundesweit einheitliche Mitteilungsformular steht allen als Download auf der Homepage http://www.gewaltinfo.at/recht/mitteilungspflicht/ zur Verfügung.
Mag. Nick Herdega, MSc
23.12.2013