Leistungsstreitigkeiten aus dem Einzelvertrag
Verjährungsproblematik und Verfallsfristen
Entsprechend der Textierung in den einzelnen Gesamtverträgen müssen Einwendungen gegen die Honorarordnung bei sonstigem Ausschluss binnen sechs Monaten geltend gemacht werden. Diese Sechs-Monats-Frist beginnt für den Vertragsarzt mit der Zahlung des Honorars, für den Versicherungsträger mit dem Einlangen der Honorarabrechnung. Bezüglich der Verordnung von Heilmitteln und Heilbehelfen ist für den Versicherungsträger eine längere Frist, neun Monate ab dem Einlangen der Verschreibung beim Versicherungsträger, vorgesehen. Beidseitige Einsprüche sind daher innerhalb dieses Zeitraumes bei sonstiger Präklusion der Honorarrückforderung möglich. Der Grund dieser Regelung wird wohl im Schutz des Arztes liegen, der seinen Lebensunterhalt von diesen Honoraren bestreiten muss. Diese kurzen Fristen haben zudem den positiven Nebeneffekt, dass Honorarabrechnungen möglichst rasch überprüft und allfällige Unstimmigkeiten geklärt werden, zumal in der Regel wirtschaftliche Positionen im Vertrauen auf diese Honorare getätigt werden. Außerdem hat der Vertragsarzt nur so die Möglichkeit, zeitnahe eine eventuelle hinsichtlich der Verrechnung problematische Verhaltensweise zu ändern, bevor das Schadensausmaß unnötig vergrößert wird.
Diese kurze Einwendungsfrist greift nach der Rechtsprechung dann nicht, wenn jemand absichtlich nicht erbrachte Leistungen verrechnet oder es sich um „verborgene Mängel“ handelt, die aus der Abrechnung nicht ersichtlich sind. Die Krankenversicherungsträger sind gemäß §§ 10 ff RöK ohnehin regelmäßig zur umfassenden und detaillierten Überprüfung verpflichtet. Dadurch werden in der Regel allfällige Verfehlungen der Vertragsärzte rechtzeitig entdeckt oder hätten diese zumindest erkannt werden können. Zudem sieht der Gesetzgeber eine schriftliche Kündigungsmöglichkeit durch den Krankenversicherungsträger vor, wobei diese zu begründen ist, sodass ohnehin eine rechtliche Handhabe gegen „beharrliche“ Verfehlungen des Vertragspartners bestehen.
Substantiierte Einwendungen
Einwendungen gegen die Honorarabrechnungen müssen konkret, also ausreichend bestimmt sein und sind innerhalb von sechs, bzw. neun Monaten geltend zu machen. Nicht zulässig sind daher allgemeine Einwendungen oder solche, die pauschal erfolgen, sondern sie müssen ausreichend begründet und substantiiert sein. Die Beurteilung, ob diese Umstände dann tatsächlich vorliegen, erfolgt anhand des Einzelfalles. Unstrittig ist in Lehre und Rechtssprechung jedenfalls, dass pauschale, bloß „vorsorgliche“ Einwendungen für die Zukunft den Ablauf der Sechs-Monats- bzw. Neun-Monats-Frist nicht verhindern.
Die Rechtssprechung lässt allerdings zu, dass gleichartige Einwendungen gegen spätere Honorarabrechnungen nicht abermals im Schlichtungsausschuss vorbehandelt werden müssen, sondern direkt im laufenden Vorbehandlungsverfahren eingebracht oder, sofern das Verfahren bereits bei der paritätischen Schiedskommission ist, durch Ausdehnung einbezogen werden können.
Auszahlungsverpflichtung strittiger Honoraranteile
Die Gesamtverträge sehen vor, dass die Krankenversicherungsträger im Falle einer Beanstandung einer Honorarabrechnung verpflichtet sind, den „strittigen“ Honorarbetrag vorläufig auszubezahlen. Erst im Falle einer rechtskräftigen Entscheidung durch den Schlichtungsausschuss oder durch die paritätische Kommission, kann daher ein Honorar gestrichen werden. Zweck dieser Regelung ist das grundsätzlich umfassende Auszahlungsgebot der Krankenversicherungsträger zum Schutz der Vertragsärzte und sind daher Ausnahmen von diesem Grundsatz nur sehr restriktiv zulässig. Die Bundesschiedskommission führte diesbezüglich aus, dass ein „strittiger“ Honoraranteil und damit einhergehend das Auszahlungsgebot immer dann gegeben sei, wenn Meinungsverschiedenheiten darüber bestehen, ob erbrachte und verrechnete Leistungen „begründet“ waren. Wenn allerdings anhand der Honorarordnung und anhand der Abrechnung die Fehlerhaftigkeit ganz einfach nachweisbar sei, also bei offenkundigen Unrichtigkeiten, beispielsweise Rechenfehlern, dann bestehe keine Auszahlungsverpflichtung. Eine endgültige Klärung ist daher nur im Einzelfall möglich.
Wirtschaftlichkeitsprüfung anhand von Durchschnittswerten zur Überprüfung der Einhaltung des Ökonomiegebotes
Die Gründe für Verfahren aus dem Einzelvertrag und damit Streitigkeiten zwischen dem Arzt als Vertragspartner und der Sozialversicherung sind vielfältig und reichen beispielsweise von der Abrechnung von Leistungen, bei denen der Verdacht besteht, dass sie nicht oder nicht in vollem Umfang erbracht wurden oder umgekehrt die Sozialversicherung einzelne Honoraranteile trotz des grundsätzlich bestehenden Auszahlungsgebotes streicht bis hin zu Meinungsverschiedenheiten über die Abrechnung von Leistungen, für die nach Ansicht der Sozialversicherung keine Leistungspflicht besteht.
Der häufigste Anwendungsfall und damit „Auslöser“ für kassenrechtliche Streitigkeiten aus dem Einzelvertrag ist jedoch der Vorwurf von „unökonomischem Verhalten.“ Gesetzlich ist das Ökonomiegebot unter anderem wie folgt geregelt: „Die Krankenbehandlung muss ausreichend und zweckmäßig sein, sie darf jedoch das Maß des Notwendigen nicht überschreiten.“ Auch einzelne Gesamtverträge nehmen direkt auf dieses Ökonomieprinzip Bezug. Zusätzlich bestehen Richtlinien, die Richtlinie des Hauptverbandes über die ökonomische Krankenbehandlung (RöK) sowie die Richtlinie über die ökonomische Verschreibweise von Heilmitteln und Heilbehelfen (RöV). Auf deren Verbindlichkeit wird im ASVG explizit hingewiesen. Auch die Beachtung des Ökonomiegebotes im Bereich der Folgekosten, also der Zu- (auch zu Ambulatorien) und Überweisungen (auch betreffend der Leistungen, die der ärztlichen Hilfe gleichgestellt sind wie Heilbehelfe, Hilfsmittel und Transportkosten) ist gesetzlich verankert.
Die Einhaltung des Ökonomiegebotes und daher auch ein allfälliger Verstoß können in Österreich im Gegensatz zu Deutschland nicht anhand von Durchschnittsprüfungen, denen lediglich eine Indizwirkung zukommt, „bewiesen“ werden. Auch der VfGH (VfGH 28.9.1994, B 384/93 = VfSlg 13.874) stellte eine Verfassungswidrigkeit fest, wenn sich der Schadenersatz und damit der Rückforderungsbetrag lediglich am Fachgruppendurchschnitt orientiert, ohne dass konkrete Beweise für den Verstoß gegen das Ökonomiegebot vorliegen. Der VfGH hat jedoch auch ausgeführt, dass nicht zwangsläufig an jedem einzelnen Behandlungsfall ein allfälliger Verstoß gegen das Ökonomiegebot geprüft werden muss, sondern genügen repräsentative Ergebnisse aus Stichproben, sofern der konkrete Rückforderungsbetrag nur mit unverhältnismäßigen Schwierigkeiten zu eruieren ist.
Mag. Barbara Hauer, PLL.M.