Keine Strafbarkeit nach § 178 StGB bei unrichtigen Angaben im Rahmen des Contact Tracing
Der Beschuldigte war im Frühsommer 2020 nach einem Auslandsaufenthalt mit dem Bus nach Österreich zurückgekehrt. Gegenüber den Behörden gab er wahrheitswidrig an, nur mit seiner im gemeinsamen Haushalt lebenden Gattin Kontakt gehabt zu haben.
Rechtskräftige Verurteilung durch das Landesgericht Klagenfurt
Im Strafverfahren vor dem Einzelrichter des Landesgerichts Klagenfurt wurde der Beschuldigte des Vergehens der vorsätzlichen Gefährdung von Menschen durch übertragbare Krankheiten nach § 178 StGB schuldig erkannt und zu einer bedingten Freiheitsstrafe sowie einer unbedingten Geldstrafe verurteilt. Da der Beschuldigte kein Rechtsmittel erhob, wurde dieses Urteil rechtskräftig.
Wahrungsbeschwerde durch die Generalprokuratur
Gegen dieses Urteil erhob die Generalprokuratur eine Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gemäß § 23 StPO.
Die Generalprokuratur führte in ihrer Begründung aus, dass der Tatbestand des § 178 StGB das Herbeiführen einer Gefahrensituation verlange. Die Strafbarkeit setze voraus, dass es sich um eine anzeige- oder meldepflichtige Krankheit handle; der Vorsatz müsse sich jedoch nicht auf die Anzeige- oder Meldepflicht beziehen. § 178 StGB sei als potenzielles Gefährdungsdelikt ausgestaltet, sodass die im Tatbestand beschriebene Verbreitungsgefahr zwar nicht tatsächlich eintreten, die Tathandlung aber typischerweise geeignet sein müsse, sie herbeizuführen. Der Frage nach der Gefährdungseignung logisch vorgelagert sei bei § 178 StGB stets die Frage nach dem Vorliegen einer übertragbaren Krankheit, also einer solchen, bei der ein Krankheitserreger unmittelbar oder mittelbar von einem Individuum auf ein anderes übergehen könne. Das Gericht müsse daher zunächst das Vorhandensein eines entsprechenden Krankheitserregers feststellen, um in weiterer Folge über die Gefährdungseignung absprechen zu können. Dies sei im gegenständlichen Fall nicht erfolgt.
Anmerkung: Die Ausführungen der Generalprokuratur entstammen im Wesentlichen der Entscheidung des OGH zu GZ 13 Os 130/21y. Dort ging es um eine Beschuldigte, welche kurz zuvor aus einem Quarantänegebiet ausgereist war und im Rahmen eines Polizeieinsatzes in ihrer Wohnung einen Beamten (aus einer Entfernung von einem Meter) anhustete. Da die Beschuldigte nicht mit SARS-CoV-2 infiziert war, wurde sie mangels Vorliegens einer übertragbaren Krankheit vom Vorwurf nach § 178 StGB freigesprochen.
OGH hebt Urteil auf
Der OGH führt zunächst aus, dass entgegen der Auffassung der Generalprokuratur es im gegenständlichen Fall nicht auf das Vorhandensein eines Krankheitserregers ankommt. Das dem Verurteilten zur Last gelegte Verhalten, nämlich die Erstattung falscher Angaben beim Contact Tracing, ist – unabhängig vom Vorhandensein eines entsprechenden Krankheitserregers – nicht typischerweise geeignet, die konkrete Gefahr der Verbreitung der Krankheit herbeizuführen.
Anmerkung: Der OGH (12 Os 61/22w) verweist in diesem Zusammenhang auf seine bisherige Rechtsprechung, in der festgehalten wird, dass bei potenziellen Gefährdungsdelikten die im Tatbestand beschriebene Gefahr zwar nicht tatsächlich eintreten, die Tathandlung aber typischerweise geeignet sein muss, sie herbeizuführen. Die Frage nach dieser Eignung ist Gegenstand der rechtlichen Beurteilung und ist vom Gericht nach den Umständen des jeweiligen Einzelfalls zu beantworten.
Mag. Seyfullah Çakır