Kassenfreier Raum
Herrschende Lehre und Judikatur bestätigen nach jahrelanger Diskussion das Bestehen des kassenfreien Raumes. Laut Rechtssprechung ist jedoch die private Verrechnung für Leistungen, für die in der Honorarordnung zwar eine bestimmte Position vorgesehen, jedoch die konkrete Abrechnung auf bestimmte Arztgruppen beschränkt ist, für jene Ärzte ausgeschlossen, die nicht dieser Arztgruppe angehören.
Kassenarzt und gleichzeitig Wahlarzt?
Anders ist die Konstellation jedoch dann, wenn jemand als Vertragsarzt für Allgemeinmedizin und als Wahlarzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe tätig ist. Bisherige herrschende Rechtsansicht und Judikatur war, dass ein Vertragsarzt nicht gleichzeitig als Wahlarzt in Anspruch genommen werden durfte, gemeint war jedoch bei diesen Fällen die gleiche Fachrichtung. Die Landesberufungskommission Steiermark hat im Jahr 2012 eine Entscheidung (LBK 2/2012) dahingehend gefällt, dass ein Vertragsarzt für Allgemeinmedizin und Wahlarzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe im Rahmen seiner Wahlarzttätigkeit alle damit in Zusammenhang stehenden Leistungen erbringen und privat auch mit den Patientinnen verrechnen kann, auch wenn es sich um Leistungen handelt, die - auch - von Allgemeinmedizinern verrechnet werden dürfen und diesbezüglich eine Honorarposition besteht. Der VfGH (B 495/2013) hat in seiner Entscheidung vom 20.02.2015 ebenso klar gestellt, dass Kassenärzte als Wahlärzte in einem anderem Fachgebiet tätig werden und im letzteren Fall auch Privathonorare ausstellen dürfen. Ausdrücklich darauf hinzuweisen ist, dass bei derartigen Konstellationen bestehende anderslautende Bestimmungen in den Gesamtverträgen zu berücksichtigen sind, z.B. bei den § 2 Kassen in OÖ!.
Eine besondere Regelung zum "kassenfreien Raum" sieht jedoch der Gesamtvertrag, der zwischen der Ärztekammer für OÖ und dem Hauptverband der Österreichischen Sozialversicherungsträger für die §2-Kassen abgeschlossen wurde, vor. Dem zufolge sind private und direkte Verrechnungen für Leistungen des Vertragsarztes nur unter den in § 10 a OÖ Gesamtvertrag beschriebenen Fällen zulässig (z.B. "reine" Privatleistungen, Komplementärmedizin, Privatpatienten, etc.). Wissenschaftlich anerkannte Heilmethoden, die nicht im Honorarkatalog enthalten sind, werden auf Antrag der jeweiligen Fachgruppe im Einvernehmen zwischen der Ärztekammer für OÖ und der Sozialversicherung mit einem nach betriebswirtschaftlichen Grundsätzen errechneten Tarif in die Honorarordnung aufgenommen. Das bedeutet, der "kassenfreie Raum" existiert aufgrund der Textierung des Gesamtvertrages in diesem Fall nicht.
Mag. iur. Barbara Hauer, PLL.M.