Haftung trotz lege artis Behandlung wegen mangelnder Aufklärung über den Wechsel des ursprünglich vereinbarten Operateurs
Sachverhalt und rechtliche Begründung
In dem der Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 4.10.2005 zu Grunde liegenden Fall (4 Ob 121/05f) wurde dem Kläger “in Aussicht gestellt”, dass die Operation am linken Ohr von demselben Oberarzt durchgeführt würde, der auch bereits das rechte Ohr erfolgreich wegen einer beidseitigen Gehörgangsexostose operiert hatte. Aus organisatorischen Gründen führte im Folgenden die entsprechende Operation jedoch nicht der Oberarzt, sondern der Primararzt durch. Über diesen Umstand wurde der Kläger nicht aufgeklärt, weswegen nach Ansicht des Obersten Gerichtshofes auch keine wirksame Einwilligung des Klägers in die Operation, welche auch später durchgeführt werden hätte können, vorlag. Maßgebend ist aus Sicht des Obersten Gerichtshofes, dass der Patient mit hoher Wahrscheinlichkeit erwartet hat und auch erwarten durfte, dass er von diesem bestimmten Oberarzt operiert werde. Eine 100 %-ige Zusage über die Person des Operateurs wird vom Obersten Gerichtshof nicht gefordert.
Die Operation selbst wurde vom Primararzt zwar lege artis durchgeführt, aber es traten schicksalhafte “operationstypische” Komplikationen auf, die auf keinen Behandlungsfehler zurückzuführen waren. Über diese möglichen Probleme wurde der Kläger auch entsprechend aufgeklärt. Dennoch haftete der Spitalsbetreiber mangels wirksamer Einwilligung des Klägers in die Operation, weil dieser über den Wechsel des Operateurs nicht entsprechend aufgeklärt wurde. Der Schadenersatzanspruch hätte nur dann nicht bestanden, wenn dem Krankenanstaltenträger der Beweis gelungen wäre, dass der Patient auch dann in die Operation eingewilligt hätte, wenn er gewusst hätte, dass er von einem anderen Arzt operiert würde. Im konkreten Fall hat jedoch das Krankenhaus diesen Beweis gar nicht angetreten bzw. wäre dieser wahrscheinlich auch nicht erfolgreich gewesen.
Auch in einem anderen Fall (OGH 26.09.2003, 3 Ob 131/03s) verpflichtete der Oberste Gerichtshof den Krankenanstaltenträger zu Schadenersatz für die schicksalhaft ohne ärztlichen Kunstfehler eingetretenenen Folgen trotz Aufklärung über die Behandlungsrisiken. Begründet wurde die Haftung ebenfalls damit, dass sich die Zustimmung des Patienten zur Operation auf einen bestimmten Arzt beschränkt hätte und die Operation tatsächlich von einem anderen Arzt durchgeführt wurde.
Empfehlung
Zusammenfassend kann daher für Ihren Praxisalltag empfohlen werden, dass dem Patienten kein bestimmter Operateur versprochen werden sollte. Wenn dennoch die Operation durch einen bestimmten Arzt zugesagt oder auch nur “in Aussicht gestellt wird”, so liegt die Einwilligung des Patienten nur für diesen bestimmten Arzt vor. Ein Wechsel des Operateurs bedarf daher einer vorhergehenden Aufklärung und einer entsprechenden Einwilligung des Patienten.