Haftung eines Gynäkologen und Radiologen wegen Mammakarzinoms
Patientin ertastete Knoten in der Brust
Die Mutter der minderjährigen Klägerinnen ist im Juli 2020 an Leberversagen aufgrund multipler Lebermetastasen eines Mammakarzinoms verstorben. Im Mai 2018 stellte der niedergelassene Gynäkologe als Erstbeklagter dieses Verfahrens wegen eines von der Patientin selbst entdeckten Knotens in der rechten Brust ohne weitere Aufklärung folgende Überweisung an das Röntgeninstitut des Zweitbeklagten aus: „Resistenz rechte Brust - Mammasonographie und falls nötig, Mammographie erbeten“. Im Zuge der sonographischen Untersuchung äußerte der Radiologe, dass es sich vermutlich um ein gutartiges Fibroadenom handle, keine Kalkablagerungen sichtbar seien, die ein Indiz für Krebs wären und somit alles gut aussehe. Er wies darauf hin, dass „das in Zukunft beobachtet“ werden solle. Zur näheren Abklärung wurde dennoch eine Mammographie gemacht mit folgendem Ergebnis: „In erster Linie vermutlich Fibroadenom rechts im axillären Ausläufer, allerdings auch vergrößerter Achsellymphknoten rechts, ich würde doch zu einer ergänzenden Mamma- MR raten“. Die Patientin hatte in der Ordination des zweitbeklagten Radiologen angegeben, dass der Befund an ihren behandelnden Gynäkologen übermittelt werden sollte und somit wurde ihr nach der Untersuchung weder CT noch Befund ausgehändigt. Es wurde ihr lediglich mitgeteilt, dass „das alles sei und sie nachhause gehen könne“.
Keine Aufklärung über weitere Mammographie
Der niedergelassene Gynäkologe rief den vom Radiologen übermittelten Befund auf elektronischem Weg auch ab und las ihn durch. Allerdings informierten weder der Erst- noch der Zweitbeklagte die Patientin über den Inhalt dieses Befundes und die Empfehlung zur Durchführung einer weiteren Mamma- MR- Untersuchung. Aufgrund der Äußerungen des Radiologen fragte die Patientin auch bezüglich dieser Untersuchungsergebnisse nicht mehr weiter nach, zumal sie aufgrund dessen Aussage bei der sonographischen Untersuchung davon ausging, dass alles in Ordnung sei. Von der tatsächlichen Krebserkrankung erfuhr die Patientin erst im Februar 2019, nachdem sie von der Internistin aufgrund eines geschwollenen Lymphknotens umgehend zur Mammasonographie und Mammographie abermals an das Röntgeninstitut des Zweitbeklagten überwiesen wurde. Im Zuge dieser Untersuchung wurden ihr vom Radiologen sofort die Untersuchungsergebnisse ausgehändigt und die Durchführung weiterer Untersuchungen möglichst rasch in der Universitätsklinik angeraten, was sie am Folgetag auch erledigte.
Haftung des Gynäkologen und Radiologen
Die Vorinstanzen sprachen den Kindern der mittlerweile verstorbenen Patientin als deren Erbinnen 50.000 Euro an Schmerzengeld zu und stellten die Haftung der beiden Beklagten gegenüber den Klägerinnen wegen der Behandlungs- und Aufklärungsfehler im Zeitraum 30.05.2018 bis 20.02.2019 fest.
Außerordentliche Revision an OGH (1Ob 159/21 w)
Die beiden beklagten Fachärzte sahen die haftungsrechtliche Verantwortung jeweils beim anderen. Letztlich waren sie jedoch der Meinung, dass sich die Patientin selbst um das Befundergebnis hätte kümmern müssen, weshalb ihr ein Mitverschulden anzurechnen wäre.
Aufgrund der höchstgerichtlichen Rechtsprechung zur ärztlichen Aufklärungspflicht hatten laut Berufungsgericht beide Ärzte, sowohl der niedergelassene Gynäkologe als auch der beigezogene Radiologe die Pflicht, die Patientin über mögliche Gefahren und schädliche Folgen einer Behandlung oder ihrer Unterlassung zu unterrichten.
Vor allem der erstbeklagte niedergelassene Gynäkologe verwehrte sich gegen eine „aktive Befunderhebungspflicht“, allerdings wurden diesbezüglich tatsächlich andere Feststellungen getroffen, zumal er diesen Befund abgerufen und auch gelesen hatte.
Dem zweitbeklagten Radiologen wurde vorgeworfen, dass er durch seine Äußerung, „es sehe alles gut aus, sie solle das in Zukunft beobachten“ suggerierte, dass momentan kein weiterer Abklärungsbedarf bestehe und somit alles in Ordnung sei. Nach Durchführung der Mammographieuntersuchung ergaben sich aber davon abweichende Erkenntnisse, wobei es die Pflicht des Radiologen gewesen wäre, seinen zuvor hervorgerufenen unrichtigen Eindruck zu korrigieren und der Patientin gegenüber auch zu kommunizieren. Er hätte daher die der Patientin gegenüber abgegebene Empfehlung des bloßen Beobachtens richtig stellen müssen. Aus diesen Gründen hatte daher die Patientin kein Mitverschulden zu verantworten.
Mag. iur. Barbara Hauer, LL.M., MBA