
Haftung des Ordinationsinhabers für den (Urlaubs)Vertreter?
Sachverhalt
In dem vom OGH zu entscheidenden Fall vom 22.01.2008 (4 Ob 210/07x) wurde der Patient zwar in der Facharztpraxis für Radiologie des Ordinationsinhabers, jedoch nicht von ihm persönlich, sondern von dessen Urlaubsvertreter, untersucht. Die vom Vertreter durchgeführte Irrigoskopie (Darmuntersuchung) wurde mangelhaft befundet. Der Ordinationsinhaber bzw. dessen Urlaubsvertreter waren dem Patienten aufgrund seines erstmaligen Besuches dieser Ordination zuvor nicht bekannt.
Jeder Ordinationsinhaber kann im Falle seine persönlichen Verhinderung die Vertretung auf verschiedene Weise regeln:
1. Der Ordinationsinhaber verweist (Abklärung mit dem jeweiligen Vertreter, Aushang in und vor seiner Ordination, Besprechung der Telefonanlage usw.) hinsichtlich seiner Vertretung auf einen anderen niedergelassenen Kollegen. Nimmt der Patient die Leistungen dieses Vertreters in dessen Ordinationsräumlichkeiten in Anspruch, so entsteht dadurch ein eigenes Vertragsverhältnis zum Urlaubsvertreter. Letzterer ist für allfällige Fehlleistungen seinerseits auch verantwortlich bzw. haftet dafür.
2. Die Vertretung erfolgt durch einen Berufskollegen in den Räumlichkeiten des Ordinationsinhabers. Der Oberste Gerichtshof sprach im oben beschriebenen Fall die Haftung des Ordinationsinhabers für Fehlleistungen des Urlaubsvertreters aus, weil der Patient vor der Behandlung nicht über den Vertretungsfall aufgeklärt wurde. Der Patient musste daher den Eindruck gewinnen, dass er vom (tatsächlich abwesenden) Ordinationsinhaber behandelt wird oder zumindest von jemandem, der im Verantwortungsbereich des Ordinationsinhabers agiert.
Erwähnenswert ist im Zusammenhang mit der Urlaubsvertretung auch die Haftung der Ordinationsinhaberin einer Zahnarztpraxis, deren Urlaubsvertreter nicht über die entsprechende Berufsbefugnis als Zahnarzt verfügte, sondern von seiner Ausbildung her Zimmermann (ohne Lehrabschluss) war. Die von diesem Urlaubsvertreter durchgeführte Wurzelbehandlung erfolgte zwar lege artis, die Behandlung selbst erfolgte jedoch ohne wirksame Einwilligung der Patientin, da diese über die fehlende Berufsbefugnis des Urlaubsvertreters nicht aufgeklärt wurde. Die Ordinationsinhaberin haftete daher auch für den Urlaubsvertreter, der seine entsprechende berufliche Qualifikation nur vorgetäuscht hatte (OGH vom 10.03.2008, 10 Ob 119/07 h).
Zusammenfassung und Empfehlung
Zuerst sollte die Art der Vertretung - siehe oben 1. oder 2. - von Ihnen im Vorfeld genau überlegt werden. Wenn Sie sich für eine Vertretung in Ihren eigenen Ordinationsräumlichkeiten entscheiden, so sorgen Sie dafür, dass dem Patienten gegenüber diese Vertretung auch nachweislich offen gelegt wird. Ansonsten besteht die Gefahr, dass Sie für allfällige Fehlleistungen Ihres Vertreters im Falle von (Schaden)Ersatzansprüchen direkt haften, als ob Sie selbst einen Behandlungs- und/oder Diagnosefehler begangen hätten. Fehlt daher der Hinweis auf das Vertretungsverhältnis und wird dieses dem Patienten auch nicht aus dem Umständen heraus klar, so entsteht trotz Ihrer Abwesenheit (!) der Behandlungsvertrag direkt mit Ihnen.
Die neuen ärztlichen Haftpflichtversicherungen, sofern diese in der gesetzlich vorgeschriebenen Form abgeschlossen wurden, müssen selbstverständlich auch Fehlleistungen des ärztlichen Vertreters abdecken.