Fehldiagnose - Schmerzengeld für verkürzte Lebenserwartung?
Fehldiagnose „Schulterschmerzen“ statt „akutes Koronarsyndrom“
Bei einem an intensiven Schulterschmerzen leidenden Patienten wurde ein tatsächlich vorliegendes akutes Koronarsyndrom fälschlicherweise als „atraumatische Schulterschmerzen“ diagnostiziert. Eine richtige Diagnose und die Behandlung nach den Regeln der ärztlichen Kunst hätten mit hoher Wahrscheinlichkeit den 3 Tage später eintretenden Herzinfarkt und die irreversible Schädigung des Herzens verhindert können.
Der klagende Patient erlitt als unmittelbare Folge 5 Tage starke und 16 Tage mittelstarke Schmerzen. Im Laufe eines typischen Tages sind mit leichten körperlichen Schmerzen und Herzstolpern bei körperlicher Belastung mit 8 Stunden pro Tag zu rechnen sowie mit mittelgradigen Schmerzen mit Atemnot und Beklemmung von weiteren 8 Stunden. Die körperliche und psychische Leistungsfähigkeit ist um 50 % reduziert und der Kläger leidet an Existenzängsten und Depressionen. Die statistische Lebenserwartung ist reduziert, die Schmerzsymptomatik zunehmend verstärkt und die Herzrhythmusstörungen werden häufiger auftreten und chronisch werden.
Patient fordert Euro 200.000,-- Schadenersatz
Aufgrund des ärztlichen Fehlers begehrte der Patient Euro 200.000,-- an Schmerzengeld, wobei ihm die Vorgerichte Euro 150.000,-- zusprachen.
Bemessung und Höhe des Schmerzengeldes
Der OGH (10 Ob 89/15h) musste sich mitunter mit der Frage beschäftigen, ob eine Globalbemessung des Schmerzengeldes zum damaligen Zeitpunkt mangels Vorsehbarkeit der Entwicklung des Gesundheitszustandes überhaupt schon möglich war. Er kam zum Ergebnis, dass die „derzeitigen und als bleibend anzusehenden Beeinträchtigungen des Klägers fest stehen“.
Unter Heranziehung des von der Rechtsprechung allgemein gültigen Rahmens für die Bemessung des Schmerzengeldes erachtete der erkennende Senat einen Schadenersatz in der Höhe von Euro 90.000,-- als angemessen. Ausschlaggebend war, dass dem Kläger - verglichen mit anderen Fällen - „trotz der aus der Fehlbehandlung resultierenden Beeinträchtigungen noch die Teilnahme am familiären und beruflichen Leben möglich ist“.
Mag. iur. Barbara Hauer, PLL.M.