Die neue 24-Stunden Betreuung und Pflege
Im Juli 2007 wurden die neuen Berufsgruppen des Personenbetreuers nach der Gewerbeordnung und des Hausbetreuers nach dem Hausbetreuungsgesetz geschaffen mit Ausnahmen vom Arbeitszeitgesetz für die sg. Rund um die Uhr Betreuung.
Diese hatten jedoch ursprünglich keinerlei pflegerische und medizinische Kompetenzen, sondern durften lediglich betreuungsbedürftige Personen bei haushaltsnahen Dienstleistungen und bei der Lebensführung unterstützen sowie eine Gesellschafterfunktion ausüben.
Nach teils heftigen öffentlichen Auseinandersetzungen der unterschiedlichen Berufsgruppen, insbesondere der Pflege, ist mit 10. April 2008 eine Neuregelung im Gesundheits- und Krankenpflegegesetz (GuKG) sowie im Ärztegesetz in Kraft getreten, die eine Erweiterung der Kompetenzen im pflegerischen und medizinischen Bereich für die Betreuung und Pflege zu Hause – nicht für Spitäler oder Altenheime – ermöglicht.
Bisher:
Schon bisher konnte der Arzt im Einzelfall ärztliche Tätigkeiten an Gesundheits- und Krankenpflegeberufe übertragen:
- an diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegeschwestern (DGKS) im so genannten mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich gem. § 15 GuKG, wie etwa die Verabreichung von Arzneimitteln, Vorbereitung und Verabreichung von Injektionen, Vorbereitung und Anschluss von Infusionen bei liegendem Gefäßzugang, Blutentnahme aus der Vene und den Kapillaren, Setzen von Blasenkathetern, Durchführung von Darmeinläufen, Legen von Magensonden u.ä.;
- an Pflegehelfer etwa die Verabreichung von Arzneimitteln, Anlegen von Bandagen und Verbänden, Verabreichung von subkutanen Insulininjektionen, Blutentnahme aus der Kapillare zur Bestimmung des Blutzuckerspiegels u.ä.
- Weiters gab es schon bisher die so genannte Laiendelegation gem. § 50a Ärztegesetz, d.h. der Arzt kann im Einzelfall ärztliche Tätigkeiten an Angehörige oder Personen, in deren Obhut der Patient steht oder zu denen der Patient in einem örtlichen oder persönlichen Naheverhältnis steht, übertragen (Nachbarn, Kindergarten, Schule udgl.).
Neu:
Das alles gilt auch weiterhin. Zusätzlich gibt es nunmehr die neuen Berufe des Personenbetreuers und Hausbetreuers, die jetzt neben den haushaltsnahen Leistungen, der Unterstützung bei der Lebensführung und dem Gesellschaft leisten auch pflegerische und medizinische Tätigkeiten durchführen dürfen.
Die so genannten Personenbetreuer üben diese Tätigkeit gewerblich, also mit einer Gewerbeberechtigung nach der Gewerbeordnung aus, Hausbetreuer nach dem Hausbetreuungsgesetz üben die Betreuungstätigkeit in einem Arbeitsverhältnis zur betreuten Person oder in einem Arbeitsverhältnis zu Anbietern sozialer Dienste (wie Hilfswerk, Caritas, Rotes Kreuz, Volkshilfe,…) in Privathaushalten aus.
Befugnisse der Betreuer:
Gem. § 3 GuKG sind Hausbetreuer und Personenbetreuer befugt, einzelne pflegerischeTätigkeiten durchzuführen, wie
- Unterstützung bei der oralen Nahrungs- und Flüssigkeitsaufnahme sowie bei der Arzneimittelaufnahme,
- Unterstützung bei der Körperpflege,
- Unterstützung beim An- und Auskleiden,
- Unterstützung bei der Benützung von Toilette oder Leibstuhl, einschließlich Hilfestellung beim Wechsel von Inkontinenzprodukten und die
- Unterstützung beim Aufstehen, Niederlegen, Niedersetzen und Gehen.
Für derartige pflegerischen Tätigkeiten ist grundsätzlich keine Anordnung durch die DGKS notwendig, es sei denn, medizinische Gründe machen eine Anordnung notwendig, dh. Sie als Arzt können also bestimmen, dass zB die Unterstützung bei der Arzneimittelaufnahme oder bei der Körperpflege bei einem Patienten nicht bedenkenlos durch die Betreuungsperson durchgeführt werden darf, sondern dass dafür aus medizinischer Sicht eine Anordnung erforderlich ist.
Delegation durch Ärzte und DGKS:
Weiters darf eine DGKS gem. § 15 Abs.7 GuKG im Rahmen des oben angeführten mitverantwortlichen Tätigkeitsbereiches des § 15 GuKG im Einzelfall weitere medizinische Tätigkeiten an die Personen- und Hausbetreuer übertragen, nämlich
- Verabreichung von Arzneimitteln,
- Anlegen von Bandagen und Verbänden,
- Verabreichung von subkutanen Insulininjektionen und subkutanen Injektionen von blutgerinnungshemmenden Arzneimitteln,
- Blutentnahme aus der Kapillare zur Bestimmung des Blutzuckerspiegels und des Teststreifens und
- einfache Wärme- und Lichtanwendungen.
Dabei handelt es sich um ärztliche Tätigkeiten, die der Arzt zuvor an die DGKS übertragen hat. Sie als Arzt können jedoch bei der Delegation an die Krankenschwester anordnen, dass bei einem Patienten eine weitere Delegation an eine Betreuungsperson nicht zulässig ist.
Ärzte dürfen nach dem neu geschaffenen § 50b ÄrzteG ebenfalls diese medizinischen Tätigkeiten im Einzelfall direkt an die Betreuer übertragen, zusätzlich noch
- weitere einzelne ärztliche Tätigkeiten, sofern diese einen zu den aufgezählten Tätigkeiten vergleichbaren Schwierigkeitsgrad sowie vergleichbare Anforderungen an die erforderliche Sorgfalt aufweisen.
Voraussetzungen:
Voraussetzungen für die Durchführung der pflegerischen oder medizinischen Tätigkeiten durch die Betreuungspersonen sind:
- Es muss sich um eine Betreuungsperson im Sinne des Hausbetreuungsgesetzes oder der Gewerbeordnung handeln
- Die Betreuung darf nur in einem Privathaushalt erfolgen
- In diesem Privathaushalt dürfen höchstens drei Menschen, die zueinander in einem Angehörigenverhältnis stehen, betreut werden (in begründeten Ausnahmefällen ist die Betreuung auch in höchstens zwei verschiedenen Privathaushalten möglich)
- Die Betreuungsperson muss dauernd oder zumindest regelmäßig täglich oder zumindest mehrmals wöchentlich über längere Zeiträume im Privathaushalt der betreuten Person anwesend sein
- Es muss eine gültige Einwilligung durch die betreute Person, deren gesetzlichen Vertreter oder Vorsorgebevollmächtigen vorliegen
- Es muss eine schriftliche Anordnung durch einen Arzt oder diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal vorliegen (in begründeten Ausnahmefällen kann die Anordnung mündlich erfolgen, muss jedoch längstens innerhalb von 24 Stunden nachträglich schriftlich nachgereicht werden)
- Die Tätigkeiten dürfen nur nach Anleitung und Unterweisung durch einen Arzt oder diplomiertes Gesundheits- und Krankenpflegepersonal (je nachdem, wer die Anordnung trifft) erfolgen, wobei sich diese vergewissern müssen, dass die Betreuungsperson über die erforderlichen Fähigkeiten verfügt.
- Die Anordnung ist befristet, höchstens für die Dauer des Betreuungsverhältnisses zu erteilen.
- Aus Gründen der Qualitätssicherung oder aufgrund der Änderung eines Zustandsbildes kann die Übertragung widerrufen werden.
- Die Betreuungsperson hat die Durchführung der angeordneten Tätigkeiten ausreichend und regelmäßig zu dokumentieren. Die Dokumentation ist der anordnenden Personen, also dem Arzt oder der DGKS, zugänglich zu machen und diesen sind alle Informationen zu erteilen, die für die Anordnung von Bedeutung sein könnten.
Weiters wurde nunmehr im § 3c GuKG das Berufsbild der persönlichen Assistenz eingeführt. Diese Assistenten - es sind Laien - betreuen Menschen mit nicht nur vorübergehenden körperlichen Behinderungen. Auch an diese persönlichen Assistenten können Ärzte und diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen einzelne - nicht näher definierte - medizinische und pflegerische Tätigkeiten übertragen, auch für diese gelten die angeführten Voraussetzungen, allerdings darf nur ein Behinderter (und nicht drei) in einem Privathaushalt betreut werden.
Zusammenfassend geht es also darum, dass zum einen
- ÄrzteärztlicheTätigkeiten an Betreuungspersonen übertragen können.
- Zum anderen dürfen diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonenpflegerische und ärztliche Tätigkeiten an Betreuungspersonen übertragen. Für Ärzte ist dabei nur relevant, dass die übertragenen ärztlichen Tätigkeiten zuvor im Rahmen des mitverantwortlichen Tätigkeitsbereiches von Ärzten an diplomierte Gesundheits- und Krankenpflegepersonen übertragen wurden. Dabei kann durchaus, wenn dies aus medizinischer Sicht geboten scheint, eine Weiterübertragung an Betreuungspersonen ausgeschlossen werden.
- Und weiters dürfen Betreuungspersonen gewisse pflegerische Tätigkeiten in der Grundversorgung ohne Anordnung durchführen, es sei denn medizinische Gründe verlangen eine solche.
Förderung:
Zu erwähnen ist noch, dass es für die so genannte Rund-um-die-Uhr Betreuung unter bestimmten Voraussetzungen eine Förderung gibt (bei Inanspruchnahme von selbständigen Personenbetreuern derzeit € 112,50 pro Monat, bei unselbständigen Hausbetreuern € 400,-- pro Monat). Eine der Voraussetzungen - neben bestimmten Einkommensgrenzen - ist, dass die zu betreuende Person Pflegegeld mindestens in der Höhe von Stufe 3 bezieht.
Dazu ist anzumerken, dass bei Pflegegeldstufe 3 und 4 die Notwendigkeit der 24-Stunden Betreuung durch eine ärztliche Bestätigung nachzuweisen ist (ein Formular für diese Bestätigung finden Sie auf unserer Homepage www.aekooe.or.at unter der Rubrik Mitglieder Info/Wissenswertes/niedergelassene Ärzte/Allgemeine Infos).
Die Anträge um Förderung sind beim Bundessozialamt einzubringen.
Auswirkungen
Es bleibt abzuwarten, ob und in welchem Ausmaß diese Neuregelungen tatsächlich relevante Auswirkungen auf Ärzte haben. Es ist eher davon auszugehen, dass sich die Übertragungen an die Betreuungspersonen eher im pflegerischen Bereich bewegen werden bzw. im mitverantwortlichen Tätigkeitsbereich des diplomierten Gesundheits- und Krankenpflegepersonals. Daneben sind natürlich auch direkte Übertragungen von ärztlichen Tätigkeiten an diese Betreuungspersonen denkbar.
Angemerkt wird, dass nach Auskunft damit befasster Stellen österreichweit bisher nur etwa 100 unselbständige Hausbetreuer gemeldet sind, Gewerbeanmeldungen für das selbständige Tätigwerden der Personenbetreuer sind jedoch bereits 5000 erfolgt.
Ihre Patienten und deren Angehörige können nähere Infos bei den Anbietern sozialer Dienste (Caritas, Rotes Kreuz, Hilfswerk, Volkshilfe, Diakonie..) erhalten bzw. beim Bundessozialamt unter www.bundessozialamt.gv.at, beim Sozialministerium unter www.bmsk.gv.at und www.pflegedaheim.at.
Sozialbetreuungsberufe
Ein letzter Hinweis sei noch auf die sg. Art. 15a Vereinbarung zwischen Bund und Ländern über Sozialbetreuungsberufe angebracht: Damit sollen österreichweit einheitliche Berufsbilder in der Altenbetreuung, Behindertenhilfe und Sozialhilfe geschaffen werden wie etwa die Heimhilfe, die Fach-Sozialbetreuer und die Diplom-Sozialbetreuer mit den Schwerpunkten Altenarbeit, Behindertenarbeit, Behindertenbegeleitung und Familienarbeit. In OÖ ist eine entsprechende landesgesetzliche Regelung jedoch noch nicht erlassen.
Dr. Maria Leitner