Darf ein Kassenarzt auch als Wahlarzt tätig werden?
Kassenarzt für Allgemeinmedizin und Wahlarzt für Frauenheilkunde
Ein in einem Vertragsverhältnis mit der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse stehender Arzt für Allgemeinmedizin war zudem außerhalb der vereinbarten Kassenordinationszeiten als Wahlarzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe tätig und verrechnete die in dieser Funktion erbrachten Leistungen direkt mit seinen Patienten. Diese reichten die Honorarnoten bei der Sozialversicherung zur Refundierung ein.
Privathonorare Vertragsverstoß?
Die Gebietskrankenkasse für Steiermark ortete aufgrund dieser Vorgehensweise einen Vertragsverstoß des Kassenarztes für Allgemeinmedizin.
Hauptargument der Gebietskrankenkasse war, dass der Arzt „als Allgemeinmediziner auf Grund vertraglicher Verrechnungsbeschränkungen keine Leistungen als Wahlarzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe verrechnen dürfe, zu deren Verrechnung er im Rahmen des Kassenvertrages berechtigt wäre“. Weiters dürfe er keine „Leistungen, die außerhalb des Vertragsbereiches lägen, erbringen oder verrechnen, da damit die Ziele des Gesamtvertrages unterlaufen würden und das Sachleistungsprinzip ernstlich gefährdet wären“.
Kein Verstoß gegen verfassungsgesetzlich gewährleistete Rechte
Entgegen der Ansicht der Gebietskrankenkasse existiert jedoch weder im Gesamt- noch der Einzelvertrag eine ausdrückliche verpflichtende Regelung, dass sich der Vertragsarzt „einer ärztlichen Tätigkeit in jedem anderen Fach, in dem er keinen Kassenvertrag besitzt, in Bezug auf sozialversicherte Personen zu enthalten habe“.
Die ärztlichen Leistungen sind laut Ausführungen der Landesberufungskommission gesamt und nicht getrennt zu betrachten und es dürfen daher im Rahmen der wahlärztlichen Tätigkeit aus dem Gebiet der Frauenheilkunde und Geburtshilfe auch Leistungen abgerechnet werden, die sich mitunter mit dem Leistungskatalog der Kassenärzte für Allgemeinmedizin überschneiden (z.B. Blutabnahme).
Der Kassenarzt für Allgemeinmedizin hat durch seine Tätigkeit als Wahlarzt auf dem Gebiet der Frauenheilkunde und Geburtshilfe keine verfassungsgesetzlich (VfGH, B 495/2013) gewährleisteten Rechte verletzt. An der bisherigen Rechtsprechung, dass ein Kassenarzt nicht als Wahlarzt in derselben Fachrichtung tätig werden darf (sind bestimmte Untersuchungen einer Vertragsfachärztin gemäß § 338 Abs 2a ASVG verwehrt, darf sie diese auch nicht als Wahlärztin abrechnen) hat sich laut VfGH durch diese Entscheidung nichts geändert.
Der von der Gebietskrankenkasse gestellte Antrag, die Beschwerde an den Verwaltungsgerichtshof abzutreten, wurde ebenso abgewiesen.
Ergebnis
Ein Kassenarzt darf auch als Wahlarzt in einem anderen Fachgebiet außerhalb seiner Kassenordinationszeiten tätig werden, sofern der Gesamtvertrag nichts Gegenteiliges (z.B. Gesamtvertrag der OÖGKK!) regelt.
Mag. iur. Barbara Hauer, PLL.M.