Babys vertauscht - Schadenersatz gegen Krankenhaus
Mädchen in Klinik verwechselt
Die Eltern und auch das Kind selbst, welche erst nach 20 Jahren erfuhren, dass dieses nicht ihr leibliches Kind war und in der Klinik mit einem anderen Mädchen vertauscht wurde, klagten den Betreiber der Krankenanstalt auf (ideellen) Schadenersatz.
Die Mutter und Zweitklägerin wurde aufgrund medizinischer Komplikationen in der 35. Schwangerschaftswoche am 30.10.1990 ins Krankenhaus eingewiesen und wurde mittels Kaiserschnitt noch am selben Tag von „ihrem“ Kind entbunden. Noch unter Einwirkung der Vollnarkose teilte man ihr mit, dass sie ein Mädchen (die Drittklägerin) geboren hätte. Der Vater als Erstkläger war bei der Geburt selbst nicht dabei und sah „seine“ Tochter zum ersten Mal am nächsten Tag auf der Frühgeburtenstation. Er brachte das Baby kurzfristig in das Zimmer der Mutter und ab diesem Zeitpunkt prägten sich beide Eltern das Gesicht „ihres“ Kindes ganz genau ein. Vor allem die Mutter besuchte es regelmäßig und beide Kläger nahmen dieses Kind nach dessen Entlassung ca. 1 ½ Monate nach der Geburt mit nach Hause.
Die Vertauschung des Kindes fand nicht nach dem erstmaligen Kontakt zu dessen Eltern, sondern bereits vorher statt.
Erst seit dem Jahr 2012/2013 erhalten Kinder, welcher in dieser Krankenanstalt geboren werden, mit geringem Geburtsgewicht zwei Namensbänder, da diese leicht vom Handgelenk rutschen konnten.
Im Zuge einer Blutspende stellte sich erst im Jahr 2012 heraus, dass zwischen der Drittklägerin und „ihren“ vermeintlichen Eltern keine Blutsverwandtschaft bestand.
Klage auf Schadenersatz
Die Kläger begehrten vom beklagten Krankenanstaltenträger jeweils Euro 30.000,-- an Schmerzengeld sowie ca. Euro 1.200,-- für die anteiligen Adoptionskosten, zumal sich die vermeintliche Familie inzwischen zu diesem Schritt entschlossen hat und die Feststellung der Haftung für alle zukünftig aus der Kindesvertauschung resultierenden Schäden.
Während das Erstgericht dem Klagebegehren zur Gänze statt gab, änderte das Berufungsgericht das Urteil dahingehend ab, dass das Schmerzengeldbegehren mangels gesetzlicher Grundlage abgewiesen wurde. Begründet wurde es damit, dass die mit der Kindesvertauschung einhergehenden schmerzhaften Verlustgefühle der Eltern, die nichts über das Schicksal der leiblichen Tochter wüssten sowie der Drittklägerin, die nichts über ihre leiblichen Eltern erfahren könnte, „seien nicht mit jener typischen Trauer vergleichbar, die die Zerstörung einer bestehenden intensiven Gefühlsgemeinschaft mit einem nahestehenden Menschen durch dessen Tod oder besonders schwere Verletzung hervorrufe“.
Verletzung des Krankenhausaufnahmevertrages
Zusätzlich zum „normalen Krankenhausaufnahmevertrag“, der die sachgemäße ärztliche und pflegerische Behandlung sowie die Beherbung des Patienten impliziert, kommt in der Neonatologie und Pädiatrie die Beaufsichtigung der ins Krankenhaus aufgenommenen Kinder, so der OGH (4 Ob 208/17t). Im konkreten Fall war die Mutter aufgrund der Einwirkungen der Narkose umso mehr darauf angewiesen, dass die Krankenanstalt diese Obsorgepflichten sachgemäß erfüllt und ihr das „richtige“ Kind übergibt.
Aus dem Behandlungs- und Krankenhausaufnahmevertrag, den die Mhttps://www.orf.at/utter konkludent auch für ihr Neugeborenes abgeschlossen hat, entstehen auch Schutz- und Sorgfaltspflichten zugunsten des Kindesvaters insofern, dass er im Falle einer Verwechslung der Kinder gegen den Krankenanstaltenträger Schadenersatz wegen Verletzung vertraglicher Pflichten begehren kann.
Die Krankenanstalt hat daher gegen vertragliche Pflichten verstoßen.
Ersatzfähigkeit des ideellen Schadens?
Alle Kläger begehren den Ersatz ideeller Schäden, zumal seit der Aufdeckung der Kindesverwechslung noch keine ersatzfähigen krankheitswerten Gesundheitsschäden eingetreten sind.
Laut OGH liegt im Anlassfall entgegen der Ansicht des Berufungsgerichtes eine massivste Beeinträchtigung der Kläger vor. Die vermeintlichen Eltern werden voraussichtlich nie über das Schicksal ihres leiblichen Kindes informiert werden und die Drittklägerin wird wahrscheinlich nichts über ihre biologische Herkunft erfahren. Den Klägern war daher in Übereinstimmung mit den zum Trauerschmerzengeld entwickelten Grundsätzen Ersatz für den erlittenen Seelenschmerz zu gewähren, wobei der Beklagten grobe Fahrlässigkeit vorzuwerfen war.
OGH spricht Schmerzengeld zu
Unter Berücksichtigung der bisher zugesprochenen Beträge bei seelischen Schmerzen sprach der OGH für die „hier vorliegende quälende Ungewissheit und Verschiebung des Familiengefüges jedem Kläger einen Ersatzbetrag von Euro 20.000,-- zu.
Mag. iur. Barbara Hauer, LL.M., MBA