Aufklärungsmaßstab bei besorgten Patienten
Schadenersatzklage wegen Totgeburt
Der beklagte Facharzt führte zahlreichere Ultraschalluntersuchungen durch als im Mutter-Kind-Pass vorgesehen waren, zusätzlich CTG-Kontrollen sowie einen Combined-Test mit Messung der Nackenfalte und dokumentierte diese Leistungen auch lückenlos. Die Eltern verloren das Kind auf sehr tragische Art und Weise, es verblutete wegen der Ruptur derVasa praevia zwischen Blasensprung und Notfallsektio, einem Risiko, das sich bei einem niedergelassenen Facharzt für Gynäkologie und Geburtshilfe nur sehr selten verwirklicht und nur durch eine ganz gezielte und nicht im Untersuchungsprogramm vorgesehene Ultraschalluntersuchung erkennbar gewesen wäre. Beide Elternteile machten Schadenersatzansprüche geltend.
Komplikation nicht vorhersehbar
Der OGH (4 Ob 256/16z) wiederholte die Grundsätze zur ärztlichen Aufklärungspflicht, deren Umfang anhand der konkreten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen ist. Keinesfalls ist der Arzt verpflichtet, über alle möglichen und theoretisch in Betracht kommenden Untersuchungsmöglichkeiten aufzuklären. Über Behandlungsalternativen ist dann zu informieren, wenn „mehrere medizinisch gleichermaßen indizierte und übliche Behandlungsmethoden zur Verfügung stehen, die gleichwertig sind, aber unterschiedliche Risiken und Erfolgschancen haben“. Der erst im Rechtsmittelweg behauptete Umstand, dass die werdende Mutter besonders besorgt und ängstlich war, führt aufgrund der Rechtsprechung nicht zu einer erhöhten Aufklärung, sondern ist diese zum Schutz der Patienten vor psychischen Folgen auf ein „Minimum“ zu reduzieren.
Behandlung lege artis
Den klagenden Eltern wurde kein Schadenersatz zugesprochen, da der beklagte Facharzt weder einen Behandlungs- noch einen Aufklärungsfehler begangen hat.
Mag. iur. Barbara Hauer, LL.M.