Aufklärung am Vortag vor Magenbypassoperation nicht rechtzeitig
Adipöse Klägerin unterzieht sich Magenoperation
Aufgrund der monatelangen interdisziplinären Abklärung zur Anlage eines Roux-en-Y-Magenbypasses bei der adipösen Klägerin zwischen Chirurgie, Psychosomatik und Stoffwechselambulanz, wusste die Klägerin grundsätzlich über den Eingriff und die damit möglicherweise verbundenen Nachteile, wie Veränderung der Verdauung, Blähungen, Verstopfung, Durchfall und Erbrechen Bescheid und nahm diese auch in Kauf. Die umfassende Aufklärung selbst erhielt sie jedoch erst am späten Nachmittag des Vortages der Operation, wobei die Ärztin mithilfe eines Aufklärungsbogens über alle möglichen Komplikationen und Folgebeschwerden informierte.
Judikaturbeispiele für rechtzeitige Aufklärung am Vortag
In folgenden Fällen, die allerdings nicht mit dem konkreten Eingriff vergleichbar waren, hat der OGH die Aufklärung am Vortag für rechtzeitig befunden:
- 1 Ob 107/20x: Radikale Prostatektomie, wobei dem Patienten, sollte er sich gegen die Operation am nächsten Tag entscheiden, sogleich ein Ersatztermin ca. einen Monat später angeboten wurde. Details zu dieser Entscheidung finden Sie hier.
- 7 Ob 64/11d: „herkömmliche“ Hüftgelenksoperation: bereits vorher wurden die Möglichkeiten und Behandlungsalternativen erörtert und der Patient vereinbarte einen Operationstermin. Weitergehende Informationen dazu erhalten Sie hier.
- 7 Ob 46/00s: Dringlichkeit einer operativen Sanierung eines unfallbedingten Bänderrisses – zehnstündige Überlegungsfrist war ausreichend.
- 5 Ob 4/19d: bisherige konservative Behandlung mittels Antibiotikums seit 6 Tagen war erfolglos und bei deren Fortsetzung hätte möglicherweise eine gefährliche Notoperation gedroht.
Hingegen wurde in einem anderen Fall (1 Ob 252/15p) die Aufklärung am Vortag als verspätet betrachtet. Es handelte sich dabei um eine spezielle Operation einer Umstellungsosteotomie des Beckens bei einem Erwachsenen, wobei hier die Erfolgsaussichten eines solchen Eingriffs niedriger sind.
Zu kurze Überlegungsfrist im konkreten Fall
Die ärztliche Aufklärung hat so rechtzeitig zu erfolgen, dass dem Patienten eine angemessene Frist zur Überlegung bleibt. Diese Frist ist von den Umständen des Einzelfalls abhängig. Bereits die Unterinstanzen haben aus Sicht des OGH (3 Ob 179/23d) zu Recht erkannt, dass für die Klägerin zum tatsächlichen Aufklärungszeitpunkt ein Verschieben oder Absagen der Operation nicht mehr zumutbar und daher die Aufklärung nicht rechtzeitig war.
Schadenersatz zugesprochen
Die Klägerin drang daher mit ihrem Schadenersatzbegehren aufgrund der nicht rechtzeitigen Aufklärung durch.
Mag. Barbara Hauer, LL.M., MBA