Herausgabe der Patientendokumentation ohne Kostenersatz?
Patient verlangt Krankenakt
Ein Patient forderte von seiner behandelnden Zahnärztin die Herausgabe der Dokumentation, weil er einen Behandlungsfehler vermutete. Die Ärztin wollte diesem Begehren, entsprechend der anzuwendenden nationalen, im konkreten Fall deutschen Rechtsvorschrift, nur unter der Bedingung des Kostenersatzes nachkommen.
Klage auf unentgeltliche Herausgabe der Dokumentation
Die ersten beiden Instanzen gaben der Klage des Patienten auf kostenlose Übergabe der ersten Kopie der Patientenakte unter Auslegung der deutschen Rechtsvorschrift im Sinne der DSGVO statt. Letztere sieht unter anderem Regelungen über die unentgeltliche Zurverfügungstellung von Mitteilungen und Maßnahmen hinsichtlich verarbeiteter Daten vor. Der BGH (Bundesgerichtshof, Deutschland) setzte das Verfahren aus und legte dem Europäischen Gerichtshof drei Fragen zur Vorabentscheidung vor.
Urteil des Europäischen Gerichtshofes – erste Kopie muss gratis sein
Der EuGH (C-307/22) führte zusammengefasst Folgendes aus:
1. Es besteht die Verpflichtung der Ärzte, die erste Kopie der Patientendokumentation auch dann unentgeltlich zur Verfügung zu stellen, wenn der Zweck (im konkreten Fall eventuelle Klage des Patienten wegen eines vermuteten Behandlungsfehlers) ein anderer ist als jener der DSGVO (Auskunftsrecht zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Verarbeitung). Für den Patienten besteht keine Begründungspflicht.
2. Nationale Rechtsvorschriften, welche für die betroffene Person (Patient) zum Schutz der wirtschaftlichen Interessen der Verantwortlichen (Zahnärztin) einen Kostenersatz für die erste Kopie der personenbezogenen Daten vorsehen, sind nicht zulässig.
3. Im Rahmen des Arzt-Patienten-Verhältnisses besteht das Recht auf Erhalt der Kopie der personenbezogenen Daten, die Gegenstand einer Verarbeitung sind und umfasst eine originalgetreue und verständliche Reproduktion aller dieser Daten, um die Überprüfung der Richtigkeit zu ermöglichen. „In Bezug auf die Gesundheitsdaten der betroffenen Person schließt dieses Recht jedenfalls das Recht ein, eine Kopie der Daten aus ihrer Patientenakte zu erhalten, die Informationen wie beispielsweise Diagnosen, Untersuchungsergebnisse, Befund der behandelnden Ärzte und Angaben zu an ihr vorgenommenen Behandlungen oder Eingriffen umfasst“, so der EuGH.
Auch in Österreich sehen nationale Rechtsvorschriften derzeit die Möglichkeit vor, einen Kostenersatz für ausgehändigte Patientendokumentationen zu verlangen. Es ist davon auszugehen, dass der österreichische Gesetzgeber auf diese Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes reagieren wird.
Mag. Barbara Hauer, LL.M., MBA